Schattenstunde
Und ich würde es ihr jetzt sagen müssen.
Das kam überhaupt nicht in Frage. Sie war zufrieden. Wenn sie es nicht wusste, umso besser.
Und was glaubst du, wie lang es noch dauert, bis sie dahinterkommt? Sollte sie es nicht eher von dir erfahren?
Ich wollte es nicht tun. Ich wollte wirklich, wirklich nicht. Aber ich brauchte ihre Hilfe, um zu entkommen, um Rae zu retten und um Simon und Derek zu warnen. Dieses Mal hing alles von mir ab, und um ihnen zu helfen, musste ich etwas Fürchterliches tun.
Ich grub meine zitternden Finger in das Kapuzenshirt und holte tief Luft.
»Liz? Es gibt da etwas, das ich dir sagen muss.«
Die dunklen Mächte wüten weiter …
I ch presste meine Augen fest zusammen und stellte mir vor, wie ich Liz zu mir herüberzog. Nur noch ein kräftiger, schneller Ruck, und …
Ein kehliges Lachen ließ mich hochschrecken. Ich wirbelte herum, aber das Zimmer war leer.
»D-d-du bist nicht Liz.«
Das Lachen umgab mich, drehte sich immer schneller um mich, so dass es bald von allen Wänden des Raums widerzuhallen schien.
»Wer bist du?«
Das Lachen ging in ein Kichern über, und warme Luft berührte meinen unbandagierten Arm.
Ich zog meinen Ärmel nach unten. »
Was
bist du?«
»Diese Frage ist schon besser.«
Ihr Atem kitzelte meine Wange. Ich versuchte, das unangenehme Gefühl mit den Fingern wegzureiben, ging ein paar Schritte rückwärts und stieß mit dem Rücken gegen die Wand.
»Aber die eigentliche Frage ist: Was bist
du
, Kleine? Als du nach deiner Freundin gerufen hast, hast du die Seelen Tausender Toter geweckt. Du hast sie zurück in ihre verwesten Leichen geschickt, wo sie nun nach Gnade schreien. Weißt du, wo diese Körper liegen?«
»N-n-nein.«
»Auf einem Friedhof. Zwei Meilen entfernt. Tausend Leichen stehen bereit, zu tausend Zombies zu werden. Eine riesige Armee des Todes, die nur auf deine Befehle wartet.«
»Ich wollte nicht …«
»Nein, natürlich nicht. Noch nicht. Deine Kräfte brauchen Zeit, um sich zu entfalten. Doch dann?« Das kehlige Lachen erfüllte den Raum. »Unser lieber Dr. Lyle führt mit Sicherheit gerade einen Freudentanz in der Hölle auf und vergisst über dem Triumph seine Todesqualen!«
»Samuel Lyle?«
»Gibt es noch einen anderen? Unser allseits geliebter Verstorbener, unser wenig geachteter, zutiefst umnachteter Dr. Samuel Lyle«, trällerte die Stimme, während sie in einem Strom warmer Luft um mich herumsegelte. »Schöpfer der schönsten, entzückendsten kleinen Scheusale, die ich je gesehen habe.«
»W-w-was?«
»Ein bisschen hiervon, ein bisschen davon«, sang sie. »Ein kleiner Kniff hier, und ein kleiner Dreh da. Und schau nur, was daraus geworden ist. Ein perfekter Ball voll Energie, der nur darauf wartet zu explodieren.«
Die Stimme kam immer näher, Wind zerzauste mein Haar.
»Gibt es noch mehr von deiner Sorte, Kleine? Bestimmt. Kleine Magier und Monster, vor Energie geradezu berstend. Haben eure Schöpfer ihren Fehler bereits bemerkt?«
Der zweite Band der Reihe Die dunklen Mächte erscheint am 1. Dezember 2010 unter dem Titel Seelennacht (ISBN 978-3-426-28342-4) im PAN-Verlag.
Fragen an Kelley Armstrong
1. Sie sind mit Leib und Seele Urban-Fantasy-Autorin, die seit Jahren im Erwachsenenbereich erfolgreich ist. Was hat Sie dazu verleitet, nun auch für jugendliche Leser zu schreiben?
Ich trage diese Idee eigentlich schon lange mit mir herum, aber da ich so viel älter als die Figuren in meinem Buch bin, hatte ich Sorge, ob es mir gelingen würde, jugendliche Charaktere zu erschaffen, die dann auch überzeugen.
Schließlich habe ich mich entschieden, während des »National Novel Writing Month« einen Versuch zu starten. Da schreiben Schriftsteller auf der ganzen Welt im Monat November bis zu 50 000 Wörter. Und ich dachte mir, wenn es mir in dieser Zeit nicht gelingt, dann hätte ich wenigstens nur einen Monat verschenkt und könnte es unter »Erfahrung sammeln« abbuchen.
2. Was inspiriert Sie? Und wie kam Ihnen die Idee für die Reihe
Die dunklen Mächte
?
Das waren mehrere Dinge. Während ich an meinem zweiten Buch für Erwachsene,
Rückkehr der Wölfin
, schrieb, stellte ich mir immer wieder die Frage: Was passiert eigentlich, wenn sich die eigenen übernatürlichen Kräfte gerade erst entwickeln? Wie geht man damit um?
Und da sich die Kräfte meiner Figuren immer während der Pubertät entwickeln, konnte ich die Idee in meinen Erwachsenenromanen nie umsetzen.
Die Idee hatte ich aber immer im
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