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Schattentänzer

Schattentänzer

Titel: Schattentänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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verstehen, dass nach dem Krieg Ebbe in der Kasse herrscht …«, setzte Kli-Kli vorsichtig an.
    »Kannst du nicht einfach mit der Sprache herausrücken?«
    »Einhundertundfünfzig Goldstücke. Das dürfte fürs Erste genügen.«
    »Da kann man nicht meckern«, stimmte ich zu.
    Ich steckte das Geld weg. Zu diesen einhundertundfünfzig kamen die knapp zweihundert Goldstücke aus dem Geheimversteck von For, die mein alter Lehrer für mich aufbewahrt hatte, alles in allem immerhin ein kleines Vermögen.
    »Und noch etwas. Das hier soll ich dir von Egrassa geben.«
    Kli-Kli legte mir eine Kette aus rauchgelben Topasen in die Hand. Es waren die, die Miralissa während des Empfangs bei Balistan Pargaide getragen hatte. Mir stockte der Atem. Das waren wertvolle Steine. Sehr wertvolle sogar.
    »Ich fürchte, ich werde mich nie dazu durchringen, sie zu verkaufen, Kli-Kli.«
    »Ich weiß«, antwortete sie lächelnd. »Und ich glaube, Egrassa wusste das auch. Er lässt übrigens ausrichten, dass dir die Türen des Hauses des Schwarzen Mondes immer offen stehen.«
    »Ich glaube kaum, dass es mich noch einmal nach Sagraba verschlagen wird. Aber vielen Dank.«
    Dann verstummten wir wieder. Es wurde Zeit aufzubrechen, und das wussten wir beide.
    »Wohin reitest du?«
    »Zuerst nach Issylien, von dort aus nehme ich ein Schiff nach Garrak. Ich werde For besuchen, er lebt jetzt in Hosga, und ich werde erledigen, worum Aal mich gebeten hat. Und danach … danach sehe ich weiter. Vielleicht gehe ich ins Tiefland.«
    »Dann ist es jetzt wohl so weit, Abschied zu nehmen?«
    »Ja.«
    »Beug dich runter.«
    »Was?«
    »Beug dich runter, du Stumpfhirn!«
    Gehorsam beugte ich mich zu ihr hinunter. Sie schmatzte mir einen Kuss auf die Wange. »Jetzt kannst du losreiten.«
    Ich schwang mich in den Sattel.
    »Auf Wiedersehen, Kli-Kli.«
    »Nein.« Sie schüttelte traurig den Kopf. »Nicht auf Wiedersehen. Wir werden uns kaum noch einmal treffen. Aber ich glaube, das weißt du ebenso gut wie ich.«
    »Vielleicht ja doch«, brachte ich mit wenig Überzeugung hervor. »Irgendwann.«
    »Irgendwann und niemals sind einander sehr nahe. Die Welt ist zu groß, als dass wir uns noch einmal begegnen werden. Außerdem wirst du irgendwann zu den Schatten der Urwelt gehen. Das weiß ich. Also nicht auf Wiedersehen, sondern: Leb wohl, Schattentänzer.«
    »Leb wohl«, presste ich heraus. »Du wirst mir fehlen.«
    »Du mir auch.« Sie räusperte sich. »Wenn du losreitest, dreh dich nicht zurück, bis du das Stadttor erreicht hast. Wir Kobolde glauben, das bringt Unglück.«
    Ich nickte, schaute sie ein letztes Mal an und stieß Bienchen die Fersen in die Seite. Ich hielt mein Wort und sah mich nicht um. Auch wenn ich gern gewollt hätte.
    Obwohl es noch früh am Morgen war, stand das Hühnertor, das nach Westen führte, sperrangelweit offen. Die Wachen würfelten und schenkten einem einsamen Reiter, der es sich hatte einfallen lassen, Awendum noch vor Tau und Tag zu verlassen, keinerlei Beachtung. Ebenso wenig wie sie auf jenen Bettler achteten, der mit einer getöpferten Schale in der Hand am Tor um milde Gaben bat.
    Der Bettler trug einen zerschlissenen Leinenumhang mit Kapuze, seine Füße steckten in schmutzigen Stiefeln. Er saß im Schneidersitz auf dem Boden. Als er mich bemerkte, hielt er mir die leere Schale entgegen. Ich zügelte Bienchen, fingerte in meinem Beutel und warf ihm ein Goldstück hin, denn nicht weniger hatte er verdient. Als der Bettler die Münze an sich nahm, nickte er würdevoll. Ich entbot ihm ebenfalls ein Nicken, dann ritt ich weiter.
    Als ich Awendum eine Viertelleague hinter mir gelassen hatte, warf ich das königliche Schreiben mit der Begnadigung in den Straßengraben. So viele Jahre war ich ohne ein solches Schriftstück ausgekommen, das würde ich jetzt nicht ändern. Nun drehte ich mich noch einmal um. Die Mauern Awendums lagen in feinem Frühnebel. Aus voller Brust atmete ich die kühle Luft ein.
    Sagoth soll mich holen, wie gut es mir doch ging! Der Frühling war da!
    »Vorwärts, Bienchen!«, sagte ich. Und dann drehte ich mich kein einziges Mal mehr um.

 

    Glossar
    Annalen der Krone – ausführlichste und älteste Chronik, von den Elfen seit ihrem Auftauchen in der Welt Sialas geführt.
    Awendum – Hauptstadt Vagliostriens, eines Königreichs in den Nordlanden; größte und reichste Stadt der Gegend.
    Beinerne Paläste – s. Hrad Spine.
    Berge der Verzweiflung – nicht sehr hohe, aber unzugängliche Felsen, die

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