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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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Arm genommen, auf beide Wangen geküsst und versucht, ihn
     mit Frühstück abzulenken. Doch was er zurückgab, war weniger liebevoll als duldsam, und kaum hatte sie die Türklinke hinuntergedrückt,
     um die Sonne ins Haus zu lassen, da strampelte er sich auch schon aus ihren Armen frei. Sobald er wieder festen Boden unter
     sich spürte, war er auf und davon und krabbelte den Weg hinunter, um sich zu Apollo zu setzen. Selbst bei Regen, Wind und
     Wetter, wenn die Tür wegen der Nässe geschlossen bleiben musste, saß Loukis davor und sehnte herbei, dass sie aufschnappte.
     Er jammerte nicht ein einziges Mal, das lag nicht in seiner Natur. Er saß einfach nur da und gab keinenLaut von sich. Schließlich verlor Dhespina die Geduld, und sie redete sich ein, dass ihr keine andere Wahl bliebe, als den
     Hund ins Haus zu lassen. Natürlich verlangten die Zwillinge Nicos und Marios daraufhin das gleiche Recht für ihre Ziege.
    »Sobald euch Athena auf ihrem Bauch schlafen und an ihrem Schwanz ziehen lässt, sobald sie mit ihrer Zunge die Fliegen von
     eurem Gesicht verjagt, könnt ihr sie mit ins Haus bringen – vorher nicht«, erwiderte Dhespina und musste daraufhin mit ansehen,
     wie ihre Jungs das arme Tier so lange zu Boden drückten, bis Athena, die noch nie sonderlich sanftmütig gewesen war, einen
     von ihnen gegen den Kopf trat. Dhespina hatte mittlerweile vergessen, welchen der beiden.
    »Diese Ziege ist so dumm wie ein Türke!«, hatte Nicos wütend gebrüllt, woraufhin sich sein Vater auf ihn gestürzt hatte.
    »So redest du vielleicht auf dem Schulhof, aber nicht hier!«, befahl er, bevor er über die »verfluchte Kirche« schimpfend
     zurück in seine Werkstatt ging, um Leder in Schuhe zu verwandeln.
    Die Monate flossen dahin, und Loukis verleugnete weiterhin seine Spezies. Schließlich war es Praxi, die Tochter von Dhespinas
     Freundin Elena, die die Sache in die Hand nahm, und zwar auf eine Weise, wie es keiner der Erwachsenen bislang fertiggebracht
     hatte. Praxi war vierzehn Monate älter als Loukis und schon immer von ihm fasziniert gewesen. Eines Tages, als sie ihn wieder
     einmal auf dem Boden herumrutschen sah, ließ sie sich vom Schoß ihrer Mutter gleiten und lief zu ihm hinüber. Sie hockte sich
     vor ihn hin, strich sich ihren langen Pony aus der Stirn, nahm seine Wangen zwischen ihre kleinen Hände und sah ihn mit strenger
     Miene an.
    »Lauf jetzt, Loukis«, befahl sie. »Lauf!«
    Loukis blickte sich hilfesuchend nach Apollo um, der jedoch völlig von einer Ameise in Anspruch genommen war, die durch die
     Haare an seinem empfindlichen Hinterteil flitzte.
    »Na gut«, seufzte er schwer wie ein störrischer alter Mann, der sich in das Unvermeidliche fügt.
    Und so wurden die Erwachsenen zunächst belustigt, dann mit atemlosem Erstaunen Zeuge, wie Loukis nach einem Tischbein griff
     und sich auf die Beine zog. Er schwankte ein bisschen, bevor er das Gleichgewicht fand, doch seine Beine erwiesen sich als
     überraschend kräftig und der Herausforderung gewachsen. Nun nahm Praxi ihn an die Hand, und gemeinsam liefen sie, dicht gefolgt
     von Apollo, zum Spielen hinaus in den Garten.
    Die nächsten zwei Jahre hindurch waren Junge, Mädchen und Hund unzertrennlich, bis der tödliche Biss einer Schlange einen
     von ihnen aus ihrer Mitte riss.
    Loukis sagte kein einziges Wort bei Apollos Beerdigung unter dem Orangenbaum, der seine Blüten wie Tränen auf das kleine Grab
     weinte. Seine vier älteren Brüder schluchzten bitterlich, und Praxi war untröstlich. Tatsächlich war ihr Schmerz so groß,
     dass ihre Mutter sie nach Hause bringen musste, wo sie die nächsten beiden Tage im Bett verbrachte und jegliche Nahrung verweigerte.
     Loukis hingegen vergoss keine einzige Träne. Er stand einfach nur am Grab und blieb noch lange dort, nachdem seine Familie
     schon längst ins Haus zurückgegangen war. Als er später am Abend noch nicht einmal zum Abendessen hereinkommen wollte, entschied
     Dhespina, ihn auf seine eigene Art trauern zu lassen.
    Nachdem die Sonne schließlich untergegangen war und der Mond das Regiment am Himmel übernommen hatte, waren die Zwillinge
     fertig mit dem Weinen und bewarfen sich schon wieder mit Murmeln. Dhespina machte sich an den Abwasch und schaute dabei ihrem
     ältesten Sohn Christakis zu, wie er dem Hund zu Ehren eine Apollo-Figur schnitzte. Ihr Zweitältester, Michalakis, war in seinem
     Zimmer und lernte, während ihr Mann auf einem Stuhl neben dem Ofen laut schnarchte.

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