Schattentraeumer - Roman
hat sogar schon Maria Germanos zum Mittagessen eingeladen, was bestimmt gaaanz toll …«
»In was für einer Gefahr sollst du denn jetzt sein?« Loukis schaute nach oben, doch alles, was er von Praxi sehen konnte,
waren ihre langen Haare, die aus dem Fenster hingen.
»Männer«, antwortete sie. »Jetzt, wo ich eine Frau bin, schwebe ich unentwegt in Gefahr, angegriffen zu werden. Männer sind
wie Tiere, sagt Mamma. Erst beschnüffeln sie dich, dann zerren sie an dir herum, und bei der erstbesten Gelegenheit werfen
sie dich zu Boden und stecken dir ihre Zunge in den Mund und ihren
poullou
in deine
poulli
. Und wenn das passiert, dann krieg ich ein Kind und werde mein Leben lang eine Schande sein und nie einen Mann finden, der
mich heiratet.«
»So ein Quatsch. Und überhaupt, was für einen Mann hoffst du denn zu finden?«
»Weiß nicht.« Praxi lachte. »Wen immer der heilige Antonius für mich vorgesehen hat!«
Loukis stand auf.
»Wo gehst du hin?«
»Weiß nicht – vielleicht such ich mir ’ne Frau zum Heiraten. Hier ist es langweilig. Du langweilst mich.«
»Hey! Das ist nicht nett, Loukis. Ich kann nichts dafür, dass ich eine Frau bin. Ich will ja gar keine sein. Also nimm das
zurück!«
Loukis schaute nach oben und direkt in Praxis schokoladenbraune Augen.
»Nein«, sagte er schließlich und drehte sich um.
»Nimm es zurück, Loukis, du sturer Bock!« Aber Loukis war schon am Gartentor und hatte nicht die geringste Absicht, irgendetwas
zurückzunehmen. Wenn sie wirklich eine Frau war,dann sollte sie lernen, ihn so zu behandeln, wie seine Mutter es tat.
Als Loukis um die Ecke bog, begegnete er Maria, die offensichtlich auf dem Weg zum Mittagessen bei Praxi war. Sie galt als
das schönste Mädchen im Dorf, und auch wenn Loukis zugeben musste, dass es stimmte, fand er sie verwöhnt und anstrengend wie
ein Kind, das zu viel Spielzeug besitzt.
» Yassou
, Loukis«, grüßte sie ihn und schützte mit den Händen ihre Haare gegen den Wind, der an ihnen zerrte.
»Yassou«, erwiderte er.
»Wohin gehst du?«, fragte sie und nötigte ihn so, stehen zu bleiben.
»So weit weg von Frauen, wie ich nur kann«, sagte er und lief weiter. Hätte er sich die Mühe gemacht, sich noch einmal umzudrehen,
dann hätte er gesehen, wie Maria ihm den ganzen Weg bis zur Kreuzung nachschaute, bis er schließlich nach rechts abbog und
aus ihrem Blickfeld verschwand.
Ohne ein konkretes Ziel, ohne irgendetwas zu tun zu haben oder jemanden, mit dem er es hätte tun können, jetzt, da Praxis
Jungfräulichkeit in höchster Gefahr war, schlenderte Loukis in Richtung der türkischen Seite des Dorfes. Er fand sie kaum
anders als die griechische Seite, außer dass es dort mehr Türken gab. Unbemerkt schlüpfte er in die Felder, die Stavros gehörten,
dem Freund seines Vaters. Es hieß, sie wären im Laufe der Jahre geschrumpft, da die Griechen sich wieder zurücknahmen, was
die Osmanen einst verschenkt hatten. Doch sie waren immer noch imposant, und der alte Mann ging äußerst großzügig mit dem
ihm verbliebenen Besitz um. So erlaubte er Loukis, auf seinem Land Schlangen zu jagen – ein Akt der Rache zum Gedenken an
Apollo, mit dem er begonnen hatte zu jagen, seit sein Vater ihm gestattet hatte, eine Waffe in die Hand zu nehmen.
Langsam, denn es war heiß, und ihm schwirrte der Kopf von den Veränderungen, streifte Loukis zwischen den Orangenbäumen umher,
an denen allmählich die Früchte heranreiften, die laut seiner Mutter in der Antike »goldene Äpfel« genannt wurden.Er lief weiter, immer tiefer in das Land des Bauern hinein, bückte sich unter den Zweigen des Johannisbrotbaums hindurch,
an denen die flachen Hülsen mit den glänzend braunen Kernen hingen, die Stavros an seine Tiere verfütterte und die seine Frau
zu
pekmez
verarbeitete. Ein Stück weiter, hinter dem großen Olivenhain, wo die Früchte gerade von Grün zu Schwarz heranreiften, bemerkte
er einen Lastwagen, der soeben vier britische Soldaten absetzte. Die Männer begannen einen Kontrollpunkt zu errichten, und
aus Neugier und um sich abzulenken schlenderte Loukis auf sie zu.
»Yassou«, grüßte einer der Soldaten, als er näherkam.
»Yassou«, grüßte Loukis zurück. »Was macht ihr da?«
»Nach Makarios’ bösen Jungs suchen. Du bist nicht zufällig einer von ihnen, oder?« Die anderen lachten.
Loukis zuckte mit den Schultern und ging weiter.
Eine halbe Stunde später kam er am Hafen von Keryneia an, auch
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