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Schattenwanderer

Schattenwanderer

Titel: Schattenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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schlichte Burschen wie du landen bei uns normalerweise tot unter den Piers. Aber vielleicht hast du ja nicht gelogen, vielleicht kannst du wirklich eine Tür einschlagen und eine Feuerkugel losjagen.«
    Der Lehrling wurde immer verlegener und lief rot an. »Na ja«, stammelte er, »ein bisschen geschwindelt hab ich schon.«
    »Lassen wir das«, sagte ich seufzend. »Geh vor!«
    Warum Arziwus sich ausgerechnet dieses Kerlchen als Lehrling ausgesucht hatte, war mir ein Rätsel.
    Als ich meinen Unterschlupf für immer verließ, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen und blickte noch einmal zurück. Wie ich vermutet hatte: Da hing kein Schild über der Tür.
    Mittag. Die Hauptstraße des Hafenviertels wimmelte von Menschen. Wen man hier nicht alles traf! Angefangen von einem herumlungernden Eckensteher bis hin zu allen nur denkbaren Händlern. Auch Nicht-Menschen begegnete man. Vor einem Laden für Gewürze fing ein Doralisser eine Schlägerei mit einem vorbeischlendernden Zwerg an. Sie bearbeiteten einander wütend mit Fäusten und schleuderten sich Flüche in ihrer jeweiligen Sprache an den Kopf. Um die beiden Raufbolde bildete sich rasch eine größere Menge, die die beiden Kämpfer anfeuerte und beiden Seiten Ratschläge erteilte, wie dem Gegner die Nase blutig zu schlagen sei. Sofort tauchten auch Buchmacher auf, die Wetten annahmen. Sie standen drei zu eins für den Zwerg. Einige Angehörige der Stadtwache waren ebenfalls unter der Menge und hatten es nicht sonderlich eilig, die Prügelei zu beenden. Offenbar hatte sogar einer der Soldaten Geld gesetzt. Aber meiner bescheidenen Meinung nach würde der kleinwüchsige Kahlkopf aus den unterirdischen Höhlen den Sieg am Ende doch nicht davontragen.
    Auch einen älteren Taschendieb samt seiner zwei Lehrlinge machte ich aus, die unter seiner Aufsicht lernen sollten, einem der Gaffer den Geldbeutel abzuschneiden. Der Lehrer spürte meinen Blick offenbar, denn er sah zu mir her, verkrampfte sich, begriff dann jedoch, dass auch ich unserem dehnbaren Gesetz keinen allzu tiefen Respekt entgegenbrachte, und zwinkerte mir daraufhin fröhlich zu. Ich zwinkerte zurück. Die Jugend wächst heran. Bald würde es einen Wachwechsel geben. Auch ich hatte einst, in fernen, doch schönen Tagen mein Handwerk erlernt, indem ich Gaffern auf dem Marktplatz die Beutel abgenommen hatte. Wie viel Zeit seit damals vergangen war! Inzwischen erinnerte sich niemand mehr an Garrett den Floh, diesen schlaksigen und ewig hungrigen Bengel, der auf der Suche nach Nahrung über Plätze und durch Straßen strich und in dreckigen Durchgängen oder Baracken schlief. Jene Zeiten waren vorbei, Garrett den Floh gab es nicht mehr, Garrett der Schatten hatte in Awendum Einzug gehalten.
    »Au!«, jaulte mein Begleiter, als ihm jemand aus der Menge auf den Fuß trat.
    »Schlaf nicht ein«, zischte ich ihm ins Ohr. »Wir müssen aus diesem Gewühle raus! Halt dich links, an der Mauer entlang!«
    Allmählich dünnte sich der Menschenstrom aus, wir konnten ungehindert hintereinander gehen, selbst wenn es noch genug Menschen und Nicht-Menschen gab. Hier und da bildeten sich Knäuel aufgeregt schnatternder Leute.
    Gerüchte. Gerüchte. Gerüchte.
    »Habt ihr schon gehört, dass der Unaussprechliche auf dem Weg zu uns ist?«
    »Komm mir doch nicht mit dem Unsinn! Es gibt keinen Unaussprechlichen!«
    »Und ob es ihn gibt! Von dem hat mir schon meine alte Großmutter erzählt, möge sie im Licht weilen!«
    »Und was macht der König?«
    »Der König? Der zieht die Armee zusammen. Dann schnellen die Steuern wieder in die Höhe – und leiden werden die, die nichts haben.«
    »Sag mal, Alte, willst du etwa, dass die Soldaten die Stadt mit leerem Magen verteidigen? Keine Sorge, das bringt uns schon nicht an den Bettelstab!«
    »Stimmt es eigentlich, dass die Wache gestern Nacht hundert Doralisser mit Messern geschnappt hat?«
    »Hundert? Du willst mir wohl einen Bären aufbinden!«
    »Ich schwör’s, bei allem, was mir heilig ist! Hundert! Sie wollten in der Straße der Fleischer ein Blutbad anrichten!«
    »Und habt ihr schon gehört …«
    Ich achtete nicht weiter auf das Geschwätz. Was sich die Leute nicht alles ausdenken, nur um der Langeweile zu entgehen!
    »He!«, rief ich Arziwus’ Lehrling.
    »Ja?«
    »Bis zum Turm des Ordens ist es noch ein gutes Stück. Willst du mich etwa durch diese Meute schleusen? Wär es nicht besser, die Straße der Wanzen zu nehmen? Da ist nicht so ein Gewühl.«
    »Also …«,

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