Schattenwandler 01. Jacob
kann sie nicht heilen“, sagte Gideon bedauernd.
„Das ist egal“, flüsterte Isabella und strich Jacob sanft durchs Haar und übers Gesicht. Er stöhnte leise, und sie beugte sich hinunter, um mit ihren Lippen die seinen zu berühren. „Jacob. Jacob …“, flüsterte sie und küsste ihn wieder und wieder.
Gideon warf Noah einen vielsagenden Blick zu, schwieg aber zu der unglaublichen Ironie, dass ausgerechnet eine Menschenfrau den Vollstrecker so liebevoll berührte und küsste.
„Er wird jetzt nicht aufwachen. Er muss sich ausruhen.“ Gideon ließ seine Hand über Jacob gleiten, der sich prompt entspannte und einschlief. „Ich schlage vor, dass ihr ihn an einen sicheren Ort bringt. Wenn ein Nekromant ihn hier gefunden hat, dann wird es sehr wahrscheinlich auch einem zweiten gelingen.“
„Ich bringe ihn in mein Haus“, versicherte Noah dem Heiler.
„Noch so einer? Ich meine, es gibt noch mehr als nur den einen Kerl?“, wollte Isabella wissen. „Ich dachte, es gäbe nur einen Nekromanten.“
„Es ist niemals nur einer. Du allerdings … du bist eine einmalige Kuriosität. Eine Kreuzung aus Mensch und Druide.“ Er wollte sie berühren, doch sie fing sein Handgelenk in der Bewegung ab und verdrehte es. Er zeigte jedoch keinen Schmerz, sondern hob nur überrascht eine Braue. In einer ebenso schnellen Bewegung entwand er sich ihrem Griff und packte nun seinerseits ihr Handgelenk.
Isabella schnappte nach Luft, als ein weißer Blitz ihren Arm hinauf und durch ihren Körper schoss.
„Der Nekromant hat versucht, dich mit einem Stromschlag zu töten, doch du hast überlebt“, murmelte Gideon. „Deine Wunden heilen schnell. Die Zusammensetzung deines Bluts ist ungewöhnlich und …“ Gideon hielt einen Moment inne, und zum ersten Mal zeigte sein Gesicht echte Verblüffung. „Du bist nicht sterblich.“
„Was?“
„Gideon …“, warnte Noah.
Gideon warf Noah einen scharfen Blick zu. „Du hast es gewusst“, sagte er ohne Umschweife.
„ Was?“ , stotterte Isabella. „Er hat es nicht gewusst! Das kann überhaupt nicht sein. Ich bin ein Mensch, und deswegen bin ich auch sterblich. Sag mal, bist du nicht ganz bei Trost, Junge?“
„Das ist unmöglich“, entgegnete Gideon knapp. Isabella verspürte plötzlich den Drang, ihm eine runterzuhauen. Sie machte sich innerlich bereit, ihm ihr Handgelenk zu entreißen.
„Noah, bring uns weg von hier“, bat Isabella. „Ich möchte, dass Jacob in Sicherheit ist. Sofort.“
„Natürlich. Wir werden noch Zeit haben zu sprechen, wenn Jacob wieder bei Kräften ist.“
Damit beugte Noah sich vor, berührte Isabella und Jacob, und die drei lösten sich in einer Rauchsäule auf, die dann schnell aus dem Raum glitt.
Gideon richtete sich zu seiner vollen Größe auf und sah ihnen nach, als sie in der Nacht verschwanden. Mit seinen diamantenähnlichen Augen fixierte er dann die Dämonin, die so still und unscheinbar geblieben war, dass alle sie übersehen hatten. Eine wahre Meisterleistung, wenn man bedachte, wie bemerkenswert schön sie war.
„Du bist sehr stark geworden, Legna“, sagte er leise.
„In nur einem Jahrzehnt? Ich glaube nicht, dass sich da viel getan hat.“
„Um mich über eine so große Entfernung zu teleportieren, braucht man sehr großes Können und viel Kraft. Und das weißt du.“
„Vielen Dank. Ich sollte mich jetzt innerlich sicher ganz schwach und zitterig fühlen, weil du mir ein Kompliment gemacht hast.“
Gideon betrachtete sie kühl. „Du klingst schon wie diese bittere kleine Menschenfrau. Das steht dir nicht.“
„Ich klinge wie ich“, entgegnete Legna, und ihre Verärgerung zuckte durch seine Gedanken, als ihre Gefühle den Schild ihrer Selbstbeherrschung durchbrachen. „Oder hast du vergessen, dass ich für deinen Geschmack viel zu unreif bin?“
„Das habe ich nie gesagt.“
„Doch, das hast du. Du hast gesagt, ich sei zu jung, um dich auch nur im Ansatz zu verstehen.“ Sie hob das Kinn. Sie war so verletzt in ihrem Stolz, dass sie sprach, bevor sie nachdachte. „Zumindest war ich nie so unreif, dass Jacob mich bestrafen musste, weil ich einen Menschen verfolgt habe.“
Gideon richtete sich noch weiter auf, und seine Augen glitzerten warnend, als sie die alte Wunde aufriss. „Reife hatte nichts damit zu tun, das weißt du genau. Es ist unter deiner Würde, so kleinlich zu sein, Magdelegna.“
„Ich verstehe, dann war das wohl ein Schlag unter die Gürtellinie? Wie kindisch von mir. Wie hältst du
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