Schattenwandler 05. Noah
hier verpasst haben, sollte auf angemessene Weise öffentlich gemacht werden.«
»Mmm.« Mehr sagte Damien vorerst nicht. Als er dann das Wort ergriff, war sein Tonfall düster und voller Bitterkeit. »Ich habe in diesem letzten Jahr eine Menge gelernt, Elijah. Ich habe gelernt, zu lieben und Angst zu haben, und beides mit einer Tiefe, die ich so nicht kannte. Mir ist bewusst geworden, dass ich meinen Job, meine Leute zu regieren, nicht so gut gemacht habe, wie ich eigentlich dachte. Regieren trifft es auch nicht. Ich habe präsidiert. Das ist ein Unterschied.«
»Damien …«, wandte Elijah ein, doch der Prinz hob eine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen.
»Es ist, als würde man ein Kinderheim leiten«, erklärte er ruhig. »Man kann die Rahmenbedingungen setzen, Abrechnungen und Essenszeiten, aber wenn du die Kinder nicht kontrollierst, ist auch das beste Management zum Scheitern verurteilt. Sie haben eine beschränkte Umgebung zur Verfügung, doch dort laufen sie von dem Moment an, wo sie aufwachen, bis sie erschöpft umfallen, herum wie wilde Tiere.« Damien warf einen mitternachtsblauen Blick über die Schulter zu dem Krieger. »Ich habe versucht, mit einem Schlag Regeln für ein Irrenhaus voller wilder Kinder aufzustellen, und jetzt bin ich überrascht, dass sie rebelliert haben? Das war ein jämmerliches Beispiel für meine angeblich so große Weisheit.«
»Wir haben schon schlimmere Fehler gemacht«, sagte Elijah vorsichtig, wohl wissend, dass der Vampir für Beschwichtigungen nicht empfänglich war. »Die Weisheit liegt darin, seine Fehler zu korrigieren.«
Aufmerksam hob Damien eine Braue.
»Du klingst verdächtig nach Anführer, Feldherr«, bemerkte Damien, und um seine Mundwinkel zuckte es.
»Ich bin ein Anführer. Schon eine ganze Weile«, sagte Elijah mit einem wegwerfenden Schulterzucken. »Ungebärdige Krieger zu führen, die Lust am Kampf verspüren, das ist keine leichte Aufgabe. An der Seite einer Frau zu stehen, die über ein Volk herrscht, das meinen bloßen Anblick hasst, ist auch nicht ohne«, fügte er trocken hinzu. »Doch sie akzeptieren widerstrebend, dass sie nichts dagegen tun können. Ich will, dass sie eines Tages meiner Befehlsgewalt denselben Respekt entgegenbringen, wie sie es bei Siena tun. Aber dieser Tag liegt noch in weiter Ferne. Du hast allerdings den Vorteil, dass die Mehrheit hinter dir steht. Deine Leute lieben dich, und das schon seit mehr Jahrhunderten, als ich lebe. Diejenigen, die dich nicht lieben, werden zumindest gezwungen sein, dich zu respektieren. Daran zweifle ich nicht. Ansonsten könnte ich meiner Frau nie sagen, dass ihre Schwester in deiner Obhut sicher ist. Und wenn ich meiner Frau das nicht sagen könnte, hättest du verdammt viel Freizeit.« Elijahs Blick war vielsagend.
»Ich danke dir für deine Offenheit«, sagte Damien ernst. »Ich glaube, es ist an der Zeit, dass ich ein paar Seiten aus dem politischen Handbuch für Dämonen herausnehme. Dein System hat eine Weile einigermaßen funktioniert, und ich muss einiges delegieren, um dieser chaotischen Gesellschaft eine Ordnung zu geben.«
»Du musst aber bedenken«, warnte Elijah ihn, »der Rat kann verdammt lästig sein, aber auch eine große Hilfe. Berufe nie jemanden, dem du nicht vertraust, und gib nicht zu viel Macht ab.«
»Keine Sorge. Ich bin der Prinz, und das werde ich immer sein. Meine Frau brennt darauf, sich einzubringen, und ich sehe jetzt ein paar Möglichkeiten, wo ich nicht mehr den Unmut meiner ›Kinder‹ fürchten muss. Und ich muss Stephan ersetzen.« Bei dieser Bemerkung senkte sich tiefe Traurigkeit über ihn. »Jasmine wird die neue politische Ordnung vervollständigen. Sie wird sich über die Ernennung freuen. Vielleicht bewahrt es sie sogar davor, Unsinn zu machen.«
Elijah schnaubte ungläubig, und Damien musste grinsen.
»Sieh es einmal so«, sagte der Prinz. »Wenn ich sie ändern kann, dann klappt das auch bei jedem anderen.«
Damien beherbergte den Dämonenkönig und dessen Gefährtin in dieser Nacht. Weil die Zitadelle am nächsten lag, empfahl der Arzt, sie sollten sich ausruhen und erst am nächsten Tag nach Hause zurückkehren. Syreena und Damien hatten natürlich nichts dagegen. Sie freuten sich über Gesellschaft. Auch über die von Elijah und Siena, die ebenfalls beschlossen hatten, über Nacht zu bleiben. Noah und Kestra wurden in ein Bett im Gästetrakt gesteckt und gut verarztet.
Kestra war erschöpft, sowohl geistig als auch körperlich, doch obwohl
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