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Schattenwesen

Schattenwesen

Titel: Schattenwesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rauchhaus
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Familie denn niemand die Grenze der Privatsphäre?
    »Warum sollte ich meinem Vater auf den Spuren folgen, die ihn in den Tod getrieben haben?«
    »Um ihn zu verstehen«, erwiderte Gabriel und blieb vor mir stehen. »Um endlich mit der Vergangenheit abzuschließen. Du wirkst immer sehr … traurig.«
    »Mein Vater ist gerade mal drei Monate tot. Soll ich da hüpfen und glücklich sein?«
    »Nein!« Gabriel machte Anstalten, den Arm um meine Schultern zu legen, aber ich wich ihm geschickt aus. Mein Rückgrat mochte im Moment aus Gummi sein, aber was wusste ich schon über das Rückgrat von Gabriel?
    »Ich kann diese Erfindung gar nicht vollenden, weil ich nie an dem Projekt beteiligt war«, murmelte ich, obwohl ich mir dessen nicht mehr ganz sicher war. Aber bestimmt würde Gabriel das seinem Vater erzählen und dann hatteich erst einmal Ruhe vor den beiden – und konnte überlegen, ob ich eine Veröffentlichung überhaupt wollte.
    »Du brauchst Zeit«, sagte Gabriel zögernd, »dann wirst du dich vielleicht an vieles erinnern. Erinnern wollen, meine ich. Aber manchen Schmerz kann man nicht ewig aushalten. Du trägst eine Wut in dir, die dich auffrisst, wenn du ihm nicht bald verzeihst.«
    Schweigend ging ich weiter neben ihm her, obwohl alles in mir sich danach sehnte, allein zu sein. Längst hatte ich keine Ahnung mehr, wo wir waren und wie wir hierhergekommen waren. Die Gänge sahen sich alle so ähnlich.
    Nach ein paar weiteren Abzweigungen gelangten wir zu einer Treppe nach oben – die aber schon nach wenigen Stufen verschüttet war. Daneben lag ein Durchgang, der früher wahrscheinlich mit einer Holztür versehen gewesen war. Gabriel ging mit großen Schritten darauf zu. Obwohl der Raum klein, leer und unauffällig war, hatte ich das starke Bedürfnis, umzukehren.
    »Die Folterkammer«, erklärte Gabriel mit der Stimme eines stolzen Hoteliers, der seine neue Sauna präsentierte. »Früher hingen an den Wänden Ketten, Handfesseln und eiserne Masken. Da vorn stand eine Streckbank mit Stachelwalzen und einem großen hölzernen Rad am Kopfende.«
    »Woher weißt du das so genau?«, fragte ich.
    »Als ich ein Kind war, standen die Sachen noch hier. Erst vor Kurzem hat man sie in ein Museum gebracht.«
    Dieser Raum war unheimlich. Bei einer Museumsführung mit lauter Touris um mich herum hätte ich ihn bestimmt amüsant gefunden, aber es wirkte alles so … echt.Das Gefühl, dass lange niemand hier gewesen war, jagte mir Schauer über den Rücken. Als wäre die Vergangenheit nur Stunden von uns entfernt und nicht Jahrhunderte.
    »Gibt es noch mehr oder wollen wir umkehren?«
    Gabriel lachte, was ich ihm übel nahm, denn das Echo der alten Wände gefiel mir nicht. Ich fühlte mich wie in einem Sarg.
    Auf dem Rückweg war ich zwar völlig in Gedanken, dennoch bemerkte ich, dass ab und zu etwas auf dem Boden herumlag. Nicht viel, mal ein Kaugummipapier oder eine Zigarettenkippe.
    »Sind manchmal Obdachlose in diesen Gängen?«
    Gabriels Gesicht wurde düster. »Obdachlose? Nein. Die verdammte Polizei – die sind auch nicht besser als andere!«
    Er kickte einen Brotrest an die Seite. »Die waren tagelang hier, als sie nach diesen verschwundenen Jugendlichen gesucht haben. Und danach sah es aus wie auf einer Müllhalde!«
    »Was bitte?«, fragte ich irritiert.
    »Na ja, hast du nicht in der Zeitung davon gelesen? In dieser Stadt sind einige Jugendliche spurlos verschwunden. Irgendwann kam die Polizei auf die Idee, sie könnten sich in den Gängen der Burg verlaufen haben. Aber sie mussten ohne jede Spur wieder abziehen. Du solltest jedenfalls abends nicht allein rausgehen, vor allem nicht in den Park!«
    »Hatte ich nicht vor«, murmelte ich. »Hat man die Jugendlichen denn inzwischen gefunden? Oder weiß man was Genaueres?«
    Gabriel schüttelte den Kopf.
    »Leider nicht. Aber mach dir keine Gedanken! Bei uns bist du sicher!«

    Als wir zurück im Haus waren, wollte Gabriel sich verabschieden. Aber mir war noch etwas eingefallen – und ich wusste nicht, ob ich schon wieder allein sein konnte.
    »Könntest du mir noch zeigen, wo der Schacht zum Verlies endet? Dein Vater sagte, er sei in eurem Haus.«
    Und was mich besonders interessierte: War dieser Teil für jeden offen zugänglich? Das Geräusch, das gestern Abend mein Gespräch mit Cyriel so abrupt unterbrochen hatte, war von dort gekommen und ich wollte nun genau wissen, was da oben war.
    »Klar«, sagte Gabriel. »Folgen Sie mir, Madame.«
    Im Keller der Villa,

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