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Schattenwesen

Schattenwesen

Titel: Schattenwesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rauchhaus
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seine neue Freiheit wieder nehmen zu lassen. Der Ringkampf um das dunkle Messer kostete beide viel Kraft, aber letztlich tötete der Schatten seinen Herrn. Befreit von allen Fesseln … ›gründete‹ er eine Familie. Er schnitt die Schatten der Menschen ab, die er um sich haben wollte, die Menschen selbst tötete er.
    In der Burg brach eine Panik aus und alle Bewohner, die sich retten konnten, verließen diesen Ort. Als sie unten im Dorf erzählten, was passiert war, dauerte es nur ein paar Tage, bis die Angst unter den Dörflern zu groß geworden war. Sie zogen nachts mit Fackeln gegen die Burg und legten Feuer. Sie brannten alles nieder. Der Schatten und seine neue Familie mussten sich in die verbliebenen Kellerräume zurückziehen. Der Alchemist mit dem Namen Ruben von Trier war tot. Aber sein Schatten begann ein neues Leben. Später baute er ein Haus auf den Ruinen der Burg, genau über dem Verlies. Dieses Haus.«
    Ich atmete tief ein.
    »Ruben? Du willst mir jetzt aber nicht erzählen, dass er dieser Alchemist war – vor über vierhundert Jahren? Und dass du zu dieser ›Schattenfamilie‹ gehört hast?«
    »Nein«, sagte er ernst. »Ich konnte mich beim ersten Ansturm der Schatten ins Dorf retten. Ich war kein Held, ich war Maler.«
    Sollte mich noch irgendetwas wundern?
    »Der Schatten des Alchemisten musste feststellen, dass er doch nicht ohne Nebenwirkungen allein leben konnte. Sein Herr war ohne Schatten gealtert. Der Schatten ohne seinen Körper hingegen verblasste. Alles braucht sein Gegenstück und er fand heraus, dass er schattenlose Menschen brauchte.«
    »Ich ahne etwas … aber das kann doch nur ein Gruselmärchen sein!«, flüsterte ich.
    Cyriel schüttelte traurig den Kopf. »Leider nicht. Sie zogen ins Dorf und gingen auf Schattenjagd. Die Schatten lagerten sie in einem ›Vorratsraum‹. Die Menschen folgten freiwillig ihren Schatten – das liegt so in unsererNatur. Ich gehörte zu diesen ersten Menschen, die entführt wurden.«
    »Stammt daher … die Narbe an deinem Auge?«, fragte ich.
    Er nickte wortlos und ich ließ ihn schweigen.
    »Wird man durch das Schattenabschneiden unsterblich?«, unterbrach ich die Stille, als sie begann wehzutun.
    »Nein«, sagte er. »Wenn man Schatten und Körper trennt, sterben beide sehr bald. Nur Ruben und seine Familie bilden eine Ausnahme, weil sie sich von gestohlener Lebenskraft ernähren. Etwa alle fünfzig Jahre gehen sie erneut auf Schattenjagd und ›tanken‹ neu auf. Und die Schattenlosen …«
    »… sterben hier an Altersschwäche«, vervollständigte ich den Satz. »Und du? Du warst doch selbst ein Opfer, oder? Hast du das Prinzip so schnell erkannt?«
    Cyriels Augen funkelten. »Was auch immer du glaubst, stell mich nicht mit Ruben auf eine Ebene! Mit diesem … Mörder.«
    »Nicht?«, fuhr ich auf. »Du fütterst und pflegst die Schattenlosen, um dich von ihrer Kraft zu ernähren!«
    Sein Gesicht wurde rot, als würde er mehrere Antworten gleichzeitig hinunterschlucken und daran ersticken.
    »Ja«, stieß er dann hervor. Er stand so ruckartig von seinem Hocker auf, dass der umkippte. Schließlich blieb er an der Wand stehen und schlug mit der Faust dagegen. »Cyriel de Vries ist vor mehr als vierhundert Jahren im Verlies dieser Burg gestorben. Aber sein Schatten lebt – solange Ruben mordet.«
    Ich hielt den Atem an, erschrocken über seinen Ausbruch.
    »Dann hat er dich also in seine Familie aufgenommen?«, fragte ich nach einer Weile vorsichtig.
    Ich sah ihm an, dass es ihn Beherrschung kostete, mir zu antworten. Langsam wandte er sich mir zu.
    »Ruben wusste, dass ich Maler war. Deshalb hat er mich geholt. Meinen Schatten hat er nicht sofort abgeschnitten. Für das, was er vorhatte, musste er mich bei klarem Verstand in das Verlies führen. Er hat mir gesagt, ich könnte mein Leben retten, wenn ich an Ort und Stelle ein Fresko malen würde, das seine Familie darstellte. Er verlangte von mir, sie aus dem Gedächtnis zu malen. Das war nicht ganz einfach, aber ich gab mein Bestes.«
    »Und warum solltest du sie malen? Hatte er diese Leute nicht gerade getötet? War er nicht stolz darauf, anders zu sein?«
    Cyriel nickte. »Darauf ist er heute noch stolz. Als Schatten hat er unglaubliche Kraft. Aber er liebt es, als Mensch aufzutreten, um andere zu täuschen. Er fand heraus, dass er das nur auf eine Weise kann: Er braucht ein Bild von sich, ein Gegengewicht zum Schatten.«
    »Das Fresko …«, murmelte ich, völlig geplättet. »Deshalb

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