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Schattenwesen

Schattenwesen

Titel: Schattenwesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rauchhaus
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Das richtige muss dein Vater sofort irgendwo versteckt haben.«
    Die Gedanken wirbelten wie Papierfetzen im Wind durch meinen Kopf – bis das Puzzle ein Ganzes ergab. Die Schatten! Die Schatten, die mein Vater zu sehen geglaubt hatte. Er – und ich – hatte sie für Zeichen des Wahnsinns gehalten …
    » Ihretwegen hat er sich aus dem Fenster gestürzt!«, flüsterte ich und hatte dabei das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.
    Nachtmanns Gesicht wurde düster, als würde eine Maske davon abfallen.
    »Er war eben schwach«, erwiderte mein Gastgeber und machte die letzten Schritte auf mich zu, wie ein Berg, der mich unter sich begraben wollte.
    Ohne zu zögern, wirbelte ich die Flasche durch die Luft – und zog durch. Leider im wörtlichsten Sinne, denn Rubens Konturen verschwammen. Plötzlich war er nur noch eine schwarze Gestalt, die mit dem Schwung meiner Waffe zu Rauch zerstob. Gespürt hatte ich nichts, als wäre mein Gegner nicht vorhanden. Dann verdichteten sich die dunklen Teilchen wieder und wuchsen in Sekundenschnelle zu einem Schattenwesen zusammen. Nachtmanns Augen leuchteten darin kurz auf, bevor er wieder menschliche Gestalt annahm und vor mir stand, als wäre nichts geschehen. Sein Lächeln hatte jetzt aber eine Kälte, die ihn völlig fremd erscheinen ließ. Triumph blitzte darin, als er mir die Flasche aus der Hand nahm und wegstellte. Ich wehrte mich nicht. Ich hatte Mühe, stehen zu bleiben.
    »Lass sie«, flüsterte Cyriel, der auf einmal neben uns stand. »Es wird nicht nötig sein. Ich werde sie dazu bringen, das Schwarz herzustellen. Ich weiß, dass sie es kann – wenn ich sie bitte.«
    Ich warf ihm einen scharfen Blick zu, mit dem ich ihn ermorden wollte, aber er beachtete mich nicht.
    Nachtmann legte eine seiner großen Pranken auf die Arbeitsfläche, zog eine Schublade auf und nahm ein mattschwarzes Messer mit skurrilen Verzierungen an der Klinge heraus. Noch nie hatte ich ein so dunkles Metall gesehen.
    »Ich mache meinen Fehler wieder gut.« Cyriels Stimme war eindringlich und er senkte den Kopf, während seineFingernägel sich tief in das Fleisch seiner geballten Fäuste gruben. Seine unterwürfige Haltung machte mich wütend. Wütend auf mich selbst, weil ich ihn nicht schneller durchschaut hatte. Er diente diesem Mörder und warf sich vor ihm in den Staub! Ob er ihm auch geholfen hatte, meinen Vater aus dem Fenster zu drängen?
    Ruben betrachtete ihn interessiert, während er sein Messer in der Hand wog, als wolle er dessen Gewicht prüfen. »Du wirst deinen Fehler wiedergutmachen, das weiß ich«, sagte er mit sanfter Stimme. »Lass sie nicht aus den Augen und sorg dafür, dass sie arbeitet.«
    Mit einer schnellen Bewegung, die ich nicht gleich erfasste, bückte er sich und zog sein Messer quer über den Steinboden. Das kratzige Geräusch war unangenehm, aber … noch etwas anderes geschah: Ich fühlte mich so leicht, so leer wie eine Papiertüte, die vom Wind davongetragen werden könnte. Und neben mir, vom Boden aufwärts, stieg etwas Dunkles empor und wehte wie Rauch in Nachtmanns ausgestreckten Ärmel.
    Ich begriff – aber was hätte ich noch tun können?
    »Nur zur Sicherheit, damit du mit dem Aufpassen nicht überfordert bist«, sagte er zu Cyriel. »Jetzt wird sie uns nicht mehr voreilig verlassen können.« Mit einem diabolischen Lächeln wandte Ruben Nachtmann sich ab und verschwand durch die Tür. Mit meinem Schatten im Ärmel.

Kira
    »Was passiert jetzt?«, fragte ich Cyriel nervös.
    Seit Nachtmann und Gabriel gegangen waren, lief er zwischen den langen Arbeitsplatten hin und her wie ein Tiger im Käfig. Dann, als hätte seine innere Stimme ihn gerufen, horchte er auf. Er öffnete die Tür und winkte mir, ohne mich anzusehen.
    »Komm«, wisperte er und schnappte sich eine Fackel.
    Ich folgte ihm.
    Er führte mich zu der Tür am Ende des Gangs, ohne mich zu berühren. Er sprach nicht einmal mit mir. Ich ertrug das Schweigen – bis er die Fackel in dem Sandeimer neben der Tür löschte.
    »Was hast du vor? Gibt es da drüben noch ein Labor? Und wie sieht es aus, wenn du mich bittest, das Schwarz zu mischen?«, fragte ich.
    Cyriel machte keine Anstalten, die Tür zu öffnen. Er stand einfach nur da.
    »Willst du mich anketten? Oder gehen wir in die Folterkammer?«
    »Warum hasst du mich eigentlich so?«, flüsterte er dicht vor mir.
    »Weil du Menschen gefangen hältst wie Tiere?«, erwiderte ich. Meine Verzweiflung gab mir den Mut, den man hat, wenn sowieso schon

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