Schaut nicht weg
engagieren, einem jungen Verein, der mir die Möglichkeit bot, mich wirklich einzubringen. Denn wenn ich etwas anfasse, dann richtig: Es interessiert mich nicht, nur meinen Namen für irgendetwas herzugeben oder hin und wieder eine Gala zu besuchen – obwohl das manchmal in der Medienberichterstattung über mich so wirken mag. Ich sagte Soscha zu Eulenburg also zu und bin inzwischen seit sechs Jahren Vorstandsmitglied und seit Februar 2009 auch Präsidentin von Innocence in Danger e.V. – eine Ernennung, die übrigens unabhängig von der politischen Karriere meines Mannes erfolgte. Denn als Karl-Theodor zu Guttenberg im Februar letzten Jahres das Amt des Wirtschaftsministers übernahm, war meine Präsidentschaft längst beschlossen. Meine ehrenamtlichen Aufgaben für Innocence in Danger e.V. sind vielfältig: Ich bin verantwortlich dafür, Projekte mit zu entwickeln und diese durchzuführen.Ich halte Vorträge und kläre Menschen auf, in Gemeinden, Städten und an Schulen. Und ich sorge dafür, dass wir genügend Gelder sammeln, denn als kleiner Verein leben wir ausschließlich von Spenden. Dafür, dass es sich um ein Ehrenamt handelt, kostet mich diese Aufgabe wahnsinnig viel Zeit – aber ich habe eine klare Vision davon, wo ich unseren Verein mit hinführen möchte, und bis dahin wird es noch viel Arbeit sein. Keine einzige Sekunde habe ich bislang bereut, diese Entscheidung getroffen zu haben. Das Vertrauen, das mir viele Kinder und Erwachsene seitdem geschenkt haben, und die vielen Menschen, denen ich helfen und die ich motivieren konnte, selbst aktiv zu werden – das alles bestärkt mich jeden Tag, weiterzumachen.
Mich motiviert außerdem, dass wir von Innocence in Danger e.V. den Opfern sexuellen Missbrauchs, mit der richtigen Unterstützung, wirklich gut helfen können. Wir sind ja nicht nur eine Lobbygruppe für die Opfer, sondern wir klären auch auf, informieren die Öffentlichkeit und arbeiten gemeinsam mit Fachleuten aus unterschiedlichen Feldern engagiert an neuen Therapiekonzepten. Manchmal hilft allein schon das Zuhören, die Erfahrung, dass den Kindern und Jugendlichen geglaubt wird. Sehr oft sind aber auch Psychotherapien vonnöten, die eine langsame und behutsame Annäherung an das häufig mit Schuldgefühlen und Scham behaftete Erlebte erst ermöglichen. Wenn ich sehe, dass wir dem einen oder anderen missbrauchten Kind mit unseren Projekten auch ein Stück Lebensfreude zurückgeben können, dann freue ich mich ganz besonders. Dreimal im Jahr richten wir Kunstwochen für traumatisierte Kinder aus – und bei diesen therapeutischen Ferien kann man sehr gut beobachten, wie die Kinder wieder aufblühen. Wir laden meist acht bis zehn traumatisierte Kinder plus Elternteile oder Pflegeelternteile an irgendeinen schönen Ort, der unszur Verfügung gestellt wird, ein. Künstler bringen den Kindern die jeweiligen Kunsthandwerke bei und somit eine neue Form des Gefühlsausdrucks: Fotografie, Malerei oder Bildhauerei zum Beispiel. Wenn die Kinder ankommen, sieht man gleich, dass es ihnen oft nicht gut geht. Manche sind auffällig blass, wirken niedergeschlagen oder resigniert. Viele sind aggressiv, gegen sich selbst oder andere. Ein Großteil der Kinder hat massive Ängste, fürchtet sich davor, alleine rauszugehen oder einzuschlafen. Einige Kinder wirken fast autistisch, zu ihnen ist es besonders schwer, einen Kontakt aufzubauen. Andere Kinder wiederum sind fröhlich und unauffällig, tragen dann aber noch Windeln, obwohl sie vielleicht schon zehn Jahre alt sind. Man merkt einfach, dass diese Kinder seelisch beschädigt sind. Und dann verändern sie sich im Laufe der Woche: Plötzlich bekommen sie wieder rote Bäckchen, fangen an zu lachen und stürzen sich voller Elan in die Kunstproduktion. Wenn dann zum Schluss so ein Kind sagt, dass das die schönsten Tage seines Lebens waren, dann hat sich diese oft schwierige und anstrengende Auseinandersetzung mit diesem traurigen Thema wieder einmal gelohnt.
Und es motiviert mich immer wieder, dass sich in den letzten Jahren in unserer Gesellschaft schon so viel verändert hat. Zwar wird sexueller Missbrauch von Kindern auch in Zukunft weiterhin in vielen Familien, Schulen, Sportvereinen und Ferienlagern totgeschwiegen werden. Aber die Tatsache, dass die Medien heute viel öfter über Missbrauchsfälle berichten, ist neu und ein großartiger Schritt in die richtige Richtung. Er demonstriert, dass die Arbeit von Organisationen und Experten Früchte trägt: Da ist
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