Schenk mir deinen Atem, Engel ...
sie im Mondlicht den Jungen erkannte, der sie vor dem Ertrinken gerettet hatte: Jake! Im nächsten Moment rutschte sie hastig bis zum Kopfende ihres Bettes zurück. „Zum Teufel, wie bist du hier reingekommen? Was hast du hier zu suchen?“
Er zuckte mit den Schultern. „Das Fenster stand offen.“
„Aber das bedeutet noch lange nicht, dass du einfach so hier reinspazieren kannst, Herrgott noch mal!“, zischte sie.
„Du kannst froh sein, dass nur ich es bin. Ich bin auf deiner Seite, Faith.“
„Du bist …?“ Sie verstummte, als Will sich leise murmelnd in seinem Bett herumwälzte, und sprach leiser weiter. „Was soll das heißen, du bist auf meiner Seite? Was für einen Unsinn redest du hier eigentlich?“
Ungefragt setzte er sich an das Fußende ihres Bettes. Der Blick seiner tiefschwarzen Augen ließ ihr Herz schneller klopfen, löste aber gleichzeitig auch Unbehagen in ihr aus. Er schien bis auf den Grund ihrer Seele zu schauen.
„Ich bin hier, um dich zu beschützen“, erklärte er ruhig. „Du schwebst in großer Gefahr, Faith. Es mag dir vielleicht nicht klar sein, aber du hast da ein paar sehr mächtige Feinde. Feinde, die auf der Suche nach dir sind, und nicht eher ruhen werden, bevor sie dich gefunden haben. Und deshalb sollten wir von hier verschwinden – je eher, desto besser.“
„Von hier verschwinden?“ Fassungslos starrte sie ihn an. „Du bist vollkommen durchgeknallt, wenn du wirklich glaubst, dass ich da mitspielen würde. Ich gehe nirgendwo mit dir hin! Warum sollte ich? Ich kenne dich überhaupt nicht!“
„Ich habe dir das Leben gerettet, schon vergessen?“ Er zischte ärgerlich, während er sich mit einer Hand durchs Haar fuhr. „Ist das nicht Beweis genug, dass ich es gut mit dir meine?“
„Nein, verdammt!“ Fest begegnete Faith seinem Blick. „Du hast mich aus dem Wasser gezogen, okay. Aber das gibt dir noch lange nicht das Recht, einfach so in unseren Bungalow einzudringen, kapiert? Was, zum Teufel, willst du eigentlich von mir?“
Jake verzog das Gesicht. „Du solltest den Namen des Fürsten der Finsternis nicht leichtfertig benutzen.“
„Was?“, fragte Faith ungläubig. „Bist du einer von diesen Bibelfreaks, oder was? Also, wenn du mich fragst, dann gibt es so etwas wie Gott nicht. Und sollte er doch existieren, dann hat er einen verdammt beschissenen Sinn für Humor! Ich finde es jedenfalls nicht witzig, dass ich aller Wahrscheinlichkeit nach die nächsten fünf Jahre nicht überstehen werde, während mein kleiner Bruder in seinem ganzen Leben nicht einmal einen Schnupfen hatte!“
Jetzt war es Jake, der sie überrascht anschaute. „Du bist krank?“
„Ja, stell dir vor“, zischte sie wütend. „Ich bin sogar todkrank! In ein paar Jahren werden meine Lungen so zugekleistert sein, dass ich qualvoll ersticken werde. Tolle Aussichten, oder? Richte deinem Gott also einen lieben Gruß von mir aus, wenn du ihn das nächste Mal siehst.“
„Es tut mir leid, ich wusste nicht …“ Er wirkte regelrecht vor den Kopf geschlagen. Fast tat er Faith leid – aber nur fast.
„Vergiss es, du konntest es ja nicht wissen.“
„Nein“, entgegnete Jake, und es überraschte Faith, wie bitter seine Stimme klang. „Aber ich sollte es wissen! Schau mich an!“ Er breitete die Arme aus und blickte an sich herunter. „Ich bin ein jämmerliches Abziehbild dessen, was ich einst war. Sie haben mich dazu gemacht. Diese verdammten Heuchler!“
Faith hob angesichts der Heftigkeit seiner Worte eine Braue. „Bist wohl doch nicht so ein Engel, wie du mir weismachen wolltest, wie?“
Jake lachte bitter auf. „Nein, das bin ich tatsächlich nicht“, sagte er dann. „Nicht mehr.“
„Was willst du damit sagen?“
Doch er schüttelte den Kopf. „Das würdest du mir ohnehin nicht glauben. Du bist noch nicht so weit.“
„Aber was …?“
Er stand auf und trat einen Schritt auf sie zu. Faith zuckte kurz zurück, als er die Hand nach ihr ausstreckte, ließ dann aber zu, dass er ihr übers Haar strich. Der Moment, in dem seine Hand ihren Kopf berührte, war der intensivste ihres bisherigen Lebens. Hätte sie das jemandem gesagt, hätte man ihr wahrscheinlich kein Wort geglaubt. Es war schließlich nicht mehr als eine einfache Berührung. Und doch war es so viel mehr. Faith fühlte sich plötzlich ganz anders … War sie eben noch müde und erschöpft gewesen, so hatte sie nun das Gefühl, voller neuer Energie zu sein. Sie fühlte sich wie elektrisiert, zudem
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