Scherben der Ehre
und anfingst, Angst um ihn zu haben? Und warum dreht dir diese neue Angst den Magen so viel mehr um als die alte? Du scheinst bei diesem Tausch nichts gewonnen zu haben, oder?
»Sie können jetzt herauskommen, Kommandantin Naismith«, drang Vorkosigans Stimme zu ihr. Sie umrundete das letzte Stück Gebüsch und kletterte eine grasbewachsene Hügelkuppe empor. Dort kampierten zwei junge Männer, die in ihren sauberen Arbeitsuniformen sehr schneidig und militärisch aussahen. Der eine war einen Kopf größer als Vorkosigan und hatte auf seinem Männerkörper ein Jungengesicht. Sie erkannte ihn von ihrem Blick durch das Fernglas wieder, Koudelka. Er schüttelte die Hand seines Kapitäns mit unverhüllter Begeisterung und vergewisserte sich auf diese Weise, dass er kein Gespenst vor sich hatte. Die Hand des anderen Mannes griff zum Disruptor, als er Cordelias Uniform sah.
»Uns wurde gesagt, dass die Betaner Sie getötet hätten«, sagte er misstrauisch.
»Ja, das ist ein Gerücht, das ich nur mit Schwierigkeiten widerlegen konnte«, sagte Vorkosigan. »Aber wie ihr seht, es ist nicht wahr.«
»Ihre Totenfeier war großartig«, sagte Koudelka. »Sie hätten dabei sein sollen.«
»Das nächste Mal vielleicht«, sagte Vorkosigan grinsend.
»Oh, Sie wissen doch, ich habe es nicht so gemeint, Sir. Leutnant Radnov hat eine sehr gute Ansprache gehalten.«
»Dessen bin ich mir sicher. Er hatte vermutlich schon seit Monaten an ihr gearbeitet.«
Koudelka, der ein bisschen schneller von Begriff war als sein Kamerad, sagte: »Oh.« Der andere schaute nur verwirrt drein.
Vorkosigan fuhr fort: »Erlaubt mir, euch Kommandantin Cordelia Naismith vom Betanischen Astronomischen Erkundungsdienst vorzustellen. Sie ist …« – er hielt inne, und Cordelia wartete interessiert darauf, welcher Status ihr zugeschrieben werden sollte –, »… äh …«
»Klingt wie?«, murmelte sie hilfsbereit.
Vorkosigan schloss die Lippen fest und unterdrückte ein Lächeln. »Meine Gefangene«, entschied er schließlich. »Auf Ehrenwort. Abgesehen vom Zugang zu sicherheitsrelevanten Bereichen soll ihr jede Höflichkeit zuteil werden.«
Die beiden jungen Männer sahen beeindruckt und unbändig neugierig aus.
»Sie ist bewaffnet«, stellte Koudelkas Kamerad fest.
»Und das ist auch gut so.« Vorkosigan ließ sich dazu nicht weiter aus, sondern ging zu dringenderen Sachen über. »Wer gehört zur Landungsgruppe?«
Koudelka rasselte eine Liste von Namen herunter, wobei sein Begleiter gelegentlich seinem Gedächtnis nachhalf.
»Also gut«, seufzte Vorkosigan. »Radnov, Darobey, Sens und Tafas sollen so ruhig und sauber wie möglich entwaffnet und wegen Meuterei unter Arrest gestellt werden. Einige andere werden später folgen. Ich möchte keinerlei Kommunikation mit der General Vorkraft, bis sie hinter Schloss und Riegel sind. Wissen Sie, wo Leutnant Buffa ist?«
»In den Höhlen. Sir?« Koudelka begann etwas unglücklich dreinzuschauen, als ihm allmählich aufging, was gerade geschah.
»Ja?«
»Sind Sie sich sicher bezüglich Tafas?«
»Nahezu.« Vorkosigans Stimme wurde sanfter. »Alle werden einen Prozess bekommen. Das ist ja der Zweck eines Prozesses, die Schuldigen von den Unschuldigen zu trennen.«
»Jawohl, Sir.« Mit einer kleinen Verneigung seines Kopfes nahm Koudelka diese beschränkte Garantie für das Wohlergehen eines Mannes an, von dem Cordelia vermutete, dass er sein Freund war.
»Beginnen Sie zu begreifen, warum ich gesagt habe, dass die Statistiken über Bürgerkriege den größten Teil der Realität verschleiern?«
»Ja, Sir.« Koudelka blickte ihm direkt in die Augen, und Vorkosigan nickte; er war sich seines Mannes sicher.
»In Ordnung. Ihr beiden kommt mit mir.«
Sie gingen los. Vorkosigan nahm wieder ihren Arm und hinkte kaum, wobei er geschickt verheimlichte, wie viel Gewicht er auf sie stützte. Sie folgten einem Pfad durch das Waldland, auf und ab über unebenen Boden, und kamen in Sichtweite der getarnten Tür zu den Höhlen des Nachschublagers heraus.
Der Wasserfall, der daneben herunterwirbelte, traf auf einen kleinen Teich, der in einem hübschen Bach abfloss, der seinerseits in den Wald strömte.
Eine sonderbare Gruppe war neben dem Teich versammelt. Cordelia konnte zuerst nicht erkennen, was sie taten. Zwei Barrayaraner standen aufrecht und beobachteten zwei andere, die neben dem Wasser knieten.
Während sie näherkamen, standen die bisher Knienden auf und hoben eine tropfnasse, gelbbraun gekleidete
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