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Scherbengericht: Roman (German Edition)

Scherbengericht: Roman (German Edition)

Titel: Scherbengericht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germán Kratochwil
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über ihren Teller.
    Erst nachdem Rotraud hoch und heilig versprach, »im nächsten Jahr« wieder ihre begehrten Semmelknödel zu machen – »meine ganze böhmische Schüssel füll ich euch damit« –, kam Ruhe in die Tischrunde. »Bis ihr mir zerplatzt«, übertrieb sie – und musste dabei an die Frösche und Kröten denken. Wie gut, dass man schluchzen konnte, als ob man kicherte.

7
NOCHMALS KATHA
    »Ich werde höchstens zwei Stunden brauchen«, hatte der Vater angekündigt, bevor er zu dem verabredeten Treffen ins Gemeindehaus aufgebrochen war. »Ruh dich aus, ich muss das hinter mich bringen. Die Sache könnte sich auch etwas hinziehen. Es würde mich nicht wundern, wenn die Vertreter der Mapuches auf der Hut wären.« Dann hatte er verärgert hinzugefügt: »Dieser Ingenieur Jones ist der größte Baulöwe in der Gegend und allzu deutlich daran interessiert, dass wir zügig zu einem Abschluss kommen – in seinem Sinn natürlich. Anschließend müssen wir zur Silvesterfeier, das machen wir kurz, ich hol dich ab.«
    Katha stand unentschlossen im Badezimmer vor dem Spiegel. Sie fühlte sich nicht müde. Während der Fahrt durch die Mondlandschaft war sie mehrmals eingenickt. Sie konnte sich ja schon einmal umkleiden. Die Schultern von Martins Holzfällerhemd hingen ihr bis zur Hälfte ihrer Oberarme hinunter, die Ärmel hatte sie weit hochkrempeln müssen. Der Besuch in der Teestube der Lady Di ließ ihr keine Ruhe. Was ging dort vor? Und überhaupt, warum werden Gesichter und Orte immer öfter zu unsteten Erscheinungen? Wo und wie sie eben noch waren, sind sie nicht mehr, und wo man sie nicht erwartet, tauchen sie, manchmal bis zur Unkenntlichkeit maskiert, wieder auf. Wie in der Klinik ihre Betreuerin Angela: Von einem Tag zum anderen war ihre Ähnlichkeit mit Prinzessin Diana offenkundig geworden, sogar ihr Haarschnitt. Katha hatte sie umarmen wollen. Angela/Diana war ihr sanft begegnet, hatte sie ganz leicht und zart zwischen den Beinen berührt. Aber dann entdeckte Katha plötzlich: Diese Lady Di war nichts als eine Attrappe, eine satanische Täuschung. Noch rechtzeitig konnte sie das Trugbild zurückstoßen, angeekelt von Angelas verräterisch brennendem Kuss. Denn der Kuss einer Prinzessin ist kühl. Auch in Gaimán war sie dem Betrug sofort auf die Schliche gekommen. Dort hatten die Folterer hinter dem Sanktuarium ihre Klinik eingerichtet. Schlau gemacht, um Nichtsahnende zu täuschen und zu kidnappen! Aber für jemanden wie sie, die sich um jeden Preis, auch den des Lebens, gegen eine neue Internierung sträuben würde, eben nicht schlau genug. Unklar blieb nur, ob der Vater davon gewusst hatte.
    Sie wollte nun doch nachsehen, wie es ihm mit den Mapuches erging. Dieses Vorhaben hatte ihn in letzter Zeit, wie schon lange keines, beansprucht. Als sie nach ihrer ersten Internierung wieder in die Wohnung des Vaters gekommen war, hatte sie seinen Schreibtisch mit Büchern, Zeitschriften und Zeitungsausschnitten zu dem Thema bedeckt gesehen. Er hatte ihr schon während seiner Besuche in der Klinik von dem Auftrag erzählt und wiederholt, dass er Zweifel an dieser Arbeit habe, dass er sie nicht hätte annehmen sollen. Gegen ihren Willen festgehalten und nicht in der Lage, ihm zu helfen, hatte sie sich schuldig gefühlt. Beide hatten doch immer vorgehabt, gemeinsam zu forschen, ein Buch zu schreiben – Gorillas, Wale, Bäume … Er hatte das nicht vergessen und vorhin überraschend wieder erwähnt. Er brauchte sie, er glaubte an sie. Und überhaupt, an ihr lag es doch, seine wissenschaftliche Arbeit später einmal fortzusetzen – aus der Sicht der Biologin! Sie hat nur mehr den Vater. Es ist die Aufgabe der Tochter, dem Vater Enkelkinder zu schenken, seine geistige Arbeit hochzuhalten und weiterzuentwickeln. Sie wird ihren alten Che nicht im Stich lassen.
    Sie hatte ihren Wunsch, sich umzukleiden, vergessen und ging zum Gemeindehaus. Vom Hotel waren es kaum hundert Schritte. Wie stark das Sonnenlicht hinter dem Bergkamm noch gegen den blassgelben Himmel hochstrahlte. Das frühsommerlich frische Laub der Pappeln am Straßenrand stand in leuchtendem Grün. »Blätter tänzeln heiter im zärtlichen Abendwind«, brachte sie von dem kurzen Weg herein, als sie schon das Gebäude betreten hatte.
    Man wies ihr den Weg zum Versammlungsraum. Als sie die eine Hälfte der Doppeltür öffnete, hatte Ing. Jones gerade das Wort. Er saß dem Eingang gegenüber, an der Seite ihres Vaters. Vor ihnen, und mit dem Rücken ihr

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