Scherbengericht: Roman (German Edition)
voll aufzudrehen, und sie stürzten zerrend und hüpfend um den eisernen Pfahl. Rotraud wollte ihn wütend anschreien – aber der Schrei blieb ihr im Hals stecken, denn sie sah, dass Quique seinen Penis in der kleinen Faust hielt, oder schon längst gehalten hatte, und jetzt heftig rieb, und sie hörte, wie er stöhnend »Da, da, da!«-Rufe ausstieß, und konnte sich nicht abwenden, als sein Sperma über die gefolterten Tiere spritzte.
Ihr Schrei brach endlich wie ein raues, kotzendes Husten aus. Quique erschrak nicht – ja es war, als hätte er die Mutter schon längst durch die offene Tür in der Schlachtkammer beobachtet. Seine hervorquellenden Schieleraugen glotzten in ihr Gesicht und auf die Flecken über ihrem Mieder.
»Du Saukerl!« Sie sprang vor und wollte zuschlagen. Aber Quique wälzte sich zur Seite, kam auf die Beine und wich aus; rückwärts hüpfend, schüttelte er ihr grinsend, und wie um sie zu verhöhnen, sein steifes Glied entgegen. Er sprang über den Bach, drehte sich ab und trotte ohne große Eile davon. »Das werde ich deinem Vater sagen, du Satan!«, konnte sie ihm nur noch nachschleudern. Sie versetzte der Batterie einen Tritt und befreite die Tiere aus ihren Kupferdrahtfesseln. Erschöpft warfen die Kröten und Frösche sich in den Bach. Schluss mit der Heiterkeit und den Forellen. Kann ich das Clementine verraten?
Als Trigo bald darauf die Kirschenernte nach Quemquemtréu hinunterfahren wollte, begleitete Rotraud ihn zum Pick-up und berichtete ihm von der letzten Schandtat Quiques. Er hing schwer in seinen Krücken und hörte ihr zu, ohne sie zu unterbrechen, ohne nach weiteren Details zu fragen, regungslos. Sie bemerkte zum ersten Mal ganz deutlich und erschrocken, hier im mittäglichen Sonnenlicht des freien Hofes, wie eingefallen sein breites Gesicht war – und dass darin auch Züge des missratenen Sohnes lagen, gleichsam eine rückwirkende Gemeinheit gegen den herzensguten Vater. Nein, nein, sie will nur Trigo in ihrem Mann sehen, ihren Trigo, diesen – wie sie unmittelbar und ganz körperlich empfindet – vollständig vom Unglück vereinnahmten Mann. Sie berühren einander nicht, so stark ist die Verbindung zwischen ihnen, und er brauchte nichts Vernehmliches zu sagen; er gab ihr nur etwas weiter, wofür er keine Worte benötigte, mit jener stummen, starken Innigkeit, die sie beide in so vielen Jahren füreinander entwickelt hatten.
Das Stöhnen, mit dem sich Treugott in den Kleinlaster schwang, mochte von seinen Hüftschmerzen stammen. Er fuhr langsam in die schattendunkle Nussbaumallee hinein; sie sah ihm bis zum Tor nach, wo er, wieder in der Sonne, zur Straße hin abbog. Hunderte Male hatte sie ihm so nachgeschaut, heute wirbelte der Kleinlaster keinen Staub auf, der Boden war wohl noch feucht.
Rotraud kehrte zum Wohnhaus zurück. Sie hob die große Küchenschürze, die sie über die kleinere, spitzenbesetzte des Dirndls gebunden trug, legte sich das Tuch übers Gesicht und trocknete damit die Tränen. Es roch wieder nach Rauch und Zwiebel und Bochum.
Später, am Mittagstisch, mussten Treugott und sie sich mit äußerster Fassung an einem heiteren Geplänkel ihrer urlaubsfrohen Gäste beteiligen: an dem Streit um zwei Semmelknödel. Sie waren von gestern Mittag übrig geblieben. Clementine, ausgeschlafen und gestärkt, behauptete wahrheitsgemäß, dass sie schon beim Frühstück einen gerösteten Knödel zum Mittagessen vorbestellt habe; Dr. Königsberg, der sie gerne ein wenig auf den Arm nahm, bestand darauf, dass er die angekündigte Morchelsauce nur dann wirklich genießen könne, wenn er sie mit dem zweiten, in Rotrauds warmen Handtellern gerundeten Semmelknödel auftunken könne; und als Benny merkte, was gespielt wurde, bat er mit gefalteten Händen, Clementine oder der Onkel sollten auf ihren Knödel verzichten, denn er habe noch nie in seinem Leben einen authentic real Semmelknödel gegessen, einen solchen könne man in Israel nicht bekommen. »Isn’t that right?«, zog er seine Sarah, die nichts verstehen konnte, in die Frotzelei hinein.
»So, nur weil ihr keine Semmelknödel in Israel habt, soll ich darauf verzichten?«, fragte Clementine pikiert und schloss ihre Frage mit dem vielsagenden Verdikt ab: »Da kann mich wirklich nichts mehr wundern.«
Benny musste für Sarah übersetzen, worum es ging. Sie nickte und bestätigte Clementine: »Yes, we have no bread knedle.«
»Schöne sse pah«, sagte Clementine und beugte sich entschlossen und unerbittlich
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