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Scherbenhaufen

Scherbenhaufen

Titel: Scherbenhaufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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findet die Blütezeit der Thuner Majolika ihr Ende.«
    Ein solches findet die Museumsführerin hoffentlich auch bald. Ich habe mich lange genug geduldet. Gelangweilt lehne ich meine rechten Schulter gegen einen massiven Holzpfeiler und hebe den Kopf. Mein Blick bleibt an der Decke über mir an etwas hängen.
    »Das darf nicht wahr sein!«, entfährt es mir.
    Warum hat es bisher niemand zur Sprache gebracht? An den beiden Schmalseiten des Kellergewölbes sind versteckt zwischen dem Gebälk zwei Videokameras montiert!
    Waren diese elektronischen Augenzeugen in Betrieb, als die Aufseherin bedrängt und der Krug zerbrochen wurde? Dann läge die Lösung des Falls in Griffnähe. Welche Bereiche werden von den Kameras überwacht? Wie gut ist die Qualität der Aufnahmen?
    Ich muss unter allen Umständen in Erfahrung bringen, ob entsprechende Videobänder existieren und ich sie mir ansehen darf. Zwei Gründe mehr, endlich mit Eva Rechberger zusammenzutreffen.
     
     
     

10
    Ich erklimme mit Geächzte die Sandsteinstufen zum Rittersaal, als ein zeitgenössisches Schlossfräulein an mir vorbeirauscht.
    »Hallo, entschuldigen Sie!«, rufe ich hinterher.
    Sie bleibt verwundert stehen. »Bitte?«
    Auf dem graviertem Sticker an ihrem Busen sind Vor- und Nachname zu lesen: Eva Rechberger. Volltreffer!
    »Wie kann ich Ihnen helfen?«, drängt das Mädchen und tritt von einem Bein auf das andere. Sie hat es offensichtlich eilig. Dem gängigen Schönheitsideal durchschnittlicher Gymnasiastinnen folgend, hat sie ihre lange Mähne zu skandinavischem Stroh gedroschen. Im Stirnbereich grüßt ansatzweise eine finstere, respektive brünette Vergangenheit.
    »Darf ich mich vorstellen? Feller. Vermute ich richtig, dass Sie hier arbeiten?«
    »Stimmt. Wie kann ich helfen?«
    »Ich, ähm, also, können Sie erklären, warum der Rittersaal so leer wirkt?« Eine noch plumpere Frage ist mir beim besten Willen nicht eingefallen. Ich ziehe es vor, mich rhetorisch aus sicherer Distanz den heiklen Kellerthemen anzunähern.
    Die Blondine kontert cool: »Das liegt vermutlich daran, dass dort so wenig ausgestellt wird.«
    »Wurden im Rittersaal früher nicht Keramiken präsentiert?«
    »Kaum. Es finden regelmäßig Bankette und Konzerte statt. Da würden Vitrinen und sperrige Objekte stören. Keramik finden Sie auf dem vierten Boden und im Kellergeschoss. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen?« Sie setzt sich in Bewegung.
    »Ganz herzlichen Dank für Ihre erschöpfende Auskunft«, rufe ich ihr überfreundlich nach und ergänze leicht ironisch. »Ganz unten bin ich heute bereits mal gelandet.«
    »Gut, dann haben Sie’s ja hinter sich«, stellt sie etwas schnippisch fest. »Wie Sie sicher bemerkt haben, liegt der diesjährige Ausstellungsschwerpunkt auf der Burgunderbeute.«
    »Das ist mir nicht entgangen, Frau Rechberger. Ich hätte dennoch eine Zusatzfrage …« Diese zu stellen, bleibt mir leider vergönnt.
    Eva Rechberger unterbricht mit dem Hinweis: »Im Metallständer am oberen Ende des Treppenhauses dürfen Sie sich ein Informationsblatt schnappen. Jetzt muss ich …«
    Die Gymnasiastin entschwindet aus meinem Gesichtsfeld. Wie kann ich sie dahin zurückholen? »Warten Sie bitte, Frau Rechberger!«, töne ich hinunter. »Es gibt was, das mich irritiert.«
    Die Formulierung funktioniert. Evas Neugierde scheint jedenfalls geweckt. »Wovon sprechen Sie?« Die junge Aufseherin steigt ein paar Tritte zu mir herauf, bis wir erneuten Blickkontakt finden.
    »Na ja. Wissen Sie, Frau Rechberger. Ich bin eigentlich hergekommen, um mir den Krug anzusehen, der Heinrich von Kleist in Thun zu seiner berühmten Komödie inspiriert haben soll. Das legendäre Stück glaube ich vor Jahren im Kellergeschoss besichtigt zu haben. Heute habe ich erfolglos danach gesucht. Können Sie mir verraten, wo ich es finde?«
    »Selbstverständlich«, bejaht sie. »Nur muss ich Sie gleich in zweifacher Hinsicht enttäuschen. Erstens ist es nicht dieser Krug gewesen, der Kleist zu seinem Theaterstück inspirierte, sondern ein französischer Kupferstich von Jean-Jacques André La Veau mit dem Titel ›Le juge ou la chruche cassée‹.
    Zweitens wurde die von Ihnen gesuchte Majolika kürzlich aus der Präsentation entfernt. Ich kann Ihnen immerhin bestätigen, dass besagter Krug zuvor im Kellergeschoss zu bestaunen war.«
    Die Direktionsassistentin taucht aus den Untergeschossen auf, im Schlepptau eine ermattete Zuhörerschaft. Eva Rechberger scheint die Unterbrechung

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