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Scherbenhaufen

Scherbenhaufen

Titel: Scherbenhaufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Kopfsteinpflaster in der Sonne stehe.
    »Ja, danke. Alles hübsch präsentiert«, antworte ich scheinheilig.
    Befriedigt kassiert sie das Kompliment und meint: »Seit wir eine neue Direktorin haben, kommen die Sachen viel besser zur Geltung. Auf diesem Posten war längst eine Frau fällig.«
    Das nehme ich freundlich zur Kenntnis und frage: »Wer leitet denn das Museum?«
    »Frau Brigitte Santschi.«
    Jäh wendet Martha Rechberger den Kopf und ruft aus: »Warum steht meine Tür offen?«
    Mir stockt der Atem.
    Die Kassenfrau tritt ohne Weiteres vor den Türrahmen und schließt kopfschüttelnd die Pforte. Danach installiert sie sich erneut hinter dem Tresen und demonstriert ihre ungebrochene Plauderlaune.
    »Übrigens, Eva hat heute doch noch eine Führung geleitet«, erzählt mir die stolze Mutter. Kokett spielt sie dazu mit dem feinen Goldkettchen, das in ihrem Ausschnitt glänzt.
    »Das ist eine große Verantwortung, für so ein junges Ding«, bemerke ich anerkennend.
    »Meinen Sie diese Führung?«
    »Ja, die auch. Aber viel mehr noch die Bewachung der unzähligen Kostbarkeiten der Ausstellung.«
    »So ist es«, pflichtet mir Martha Rechberger bei. »Glücklicherweise lastet diese Verantwortung nicht allein auf den Schultern des Aufsichtspersonals. Das Museum wird zusätzlich elektronisch überwacht.«
    Ich mime den Naivling. »Oh! Bin ich jetzt auf den Bändern verewigt?«
    »Bestimmt nicht. So was wird heute nicht mehr auf Magnetbänder aufgezeichnet. Das speichern wir selbstverständlich digital.«
    »Trotzdem. Jemand muss die Daten doch visionieren, bevor sie gelöscht werden? Ansonsten machte die ganze Aufzeichnerei ja gar keinen Sinn«, wende ich ein.
    »Aus diesem Grund zirkuliert das Aufsichtspersonal in den Ausstellungsräumen«, klärt mich Frau Rechberger auf. »Sobald denen etwas Verdächtiges auffällt, wird es gemeldet. Danach überprüft die Chefin die Aufnahmen für den fraglichen Zeitraum gezielt.«
    Unvermutet meldet sich in meinem Rücken eine Frauenstimme: »Lästern Sie über mich?« Frau Rechberger errötet und verstummt.
    Die groß gewachsene Direktorin stellt eine respektable Erscheinung dar. Auf ihrem schwarzen, mittellangen Haar balanciert sie eine schmale, randlose Lesebrille wie ein Krönchen. Die Stirnfransen sind zur Seite gekämmt. Wirkungsvoll umrandet Frau Santschi ihre graublauen Augen mit einem dunkelblauen Lidstrich. Oder zeugen sie von nächtlicher Archivarbeit hinter feuchten Schlossmauern?
    Entschuldigend und ziemlich kleinlaut bröselt die Kassiererin hervor: »Der Herr hat sich halt für das Video interessiert.«
    »Was?«, wundert sich ihre Chefin. »Sie geben Auskunft über interne Sicherheitsvorkehrungen? Frau Rechberger, alles was recht ist!«

12
    »Hanspudi, ich befürchte, mein Akku wird gleich den Geist aufgeben.«
    »Verstehe. Ich halte mich kurz«, verspreche ich meinem Assistenten. »Eigentlich will ich dich nur darüber informieren, dass ich mit Eva Rechberger gesprochen habe.«
    »Was ist dabei rausgekommen?«, fragt Jürg Lüthi.
    »Sie ist die Tochter einer der Damen, die an der Kasse bedienen«, eröffne ich ihm.
    »Interessant. Und weiter?«
    Ich wechsle den Telefonhörer in die andere Hand und erkläre: »Tja. Um die Aussagen der Aufseherin einschätzen zu können, muss von zwei unterschiedlichen Annahmen ausgegangen werden. Die erste entspricht den Angaben des Mädchens und lautet: Eva wurde Opfer eines sexuellen Übergriffs.«
    »Okay, Hanspudi. Denk an meinen Akku. Annahme zwei?«
    »Eva Rechberger hat die Geschichte bloß erfunden.«
    Es knackt in der Leitung. »Was würde das bedeuten?
    »Dass sie lügt!«, stelle ich klar.
    »Du zweifelst an Evas Redlichkeit?«
    »Prinzipiell«, erwidere ich schonungslos.
    Mein Assistent bleibt aber skeptisch. »Sollten wir nicht mal die erste Annahme überprüfen, bevor wir das Mädchen der Lüge bezichtigen?«
    »Jüre, es geht nicht darum, was wir sollten, sondern einzig und allein darum, was sie könnte.«
    »Bist du ernsthaft der Auffassung, dass alle denkbaren Varianten systematisch durchzuturnen sind?«
    »Absolut. Nur dadurch wird vermieden, bei den Ermittlungen über eigene Vorurteile oder Voreingenommenheit zu stolpern.«
    Dieser Bescheid befriedigt Jürg Lüthi offensichtlich nicht. »Hanspudi, was hätte Eva davon?«
    »Das kann ich noch nicht sagen. Möglicherweise erklärte es die Tatsache, dass sowohl die Gymnasiastin als auch ihr persönliches Umfeld auf eine Anzeige bei der Polizei verzichtet

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