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Scherbenhaufen

Scherbenhaufen

Titel: Scherbenhaufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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willkommen.
    »Hallo!«, begrüßt sie ihre Kollegin erleichtert. »Mir wurde an der Kasse mitgeteilt, ich soll dich so rasch wie möglich ablösen.«
    »Ciao, Eva. Gut, dass du da bist.« An die Gruppe gewandt, meint die Direktionsassistentin: »Ich darf mich von Ihnen verabschieden. Die Fortsetzung der Führung übernimmt Frau Rechberger.«
    »Sie müssen mit mir Vorlieb nehmen«, ergänzt die Gymnasiastin jovial. Hofft sie, damit die fliegende Stabübergabe zu entschuldigen?
    Die Besucherinnen und Besucher quittieren die Ankündigung artig mit verhaltenem Lächeln.
    »Wenn Sie nichts dagegen haben, Frau Rechberger, werde ich mich Ihnen anschließen«, melde ich spontan.
    »Nur zu!«, bekräftigt sie und meint munter: »Bitte, meine Herrschaften!«
    Im Gehen dränge ich mich an ihre schlanke Seite und bohre penetrant: »Was genau ist mit dem Krug los?«
    Entnervt hält die junge Frau kurz inne. »Er musste eben entfernt werden. Reicht Ihnen diese Auskunft nicht?« Danach lässt sie ihren Blick über die Runde schweifen, als wollte sie mich an die Anwesenheit der anderen Besucherinnen und Besucher erinnern. Die geben sich wesentlich pflegeleichter.
    Ich prononciere absichtlich deutsch und deutlich. »Ja, ja, verstehe. Ich möchte halt nur erfahren, warum uns neuerdings eines der besten Sammlungsstücke vorenthalten wird.« Damit hoffe ich, eine erweiterte Zuhörerschaft zu gewinnen, die nötigenfalls für mich und mein Anliegen Partei ergreifen wird.
    Genau das sucht Eva Rechberger mit ihrer Antwort jedoch zu verhindern: »Wie ich Ihnen zuvor erklärt habe, Herr Feller, musste besagte Keramik aus restauratorischen Gründen entfernt werden.«
    Ich gucke absichtlich misstrauisch.
    »Die Majolika ist kaputtgegangen, um es simpel auszudrücken«, schiebt die Gymnasiastin immerhin nach.
    »Der zerbrochene Krug ist erneut in die Brüche gegangen?«, paraphrasiere ich zu ihrem sichtlichen Ärger. Die Frage sorgt definitiv für Aufmerksamkeit. Ein Herr mittleren Alters, wohl extra aus der Ostschweiz hergereist, stänkert in nasalem Bariton: »Wer tut denn so was?«
    Eva Rechberger errötet. »Wer den Krug zerbrochen hat, kann ich nicht sagen.«
    Das lässt eine weitere Anwesende aufhorchen. Sie erkundigt sich: »Ein Geheimnis?«
     
     
     

11
    Soll ich es wagen?
    Die Befragung von Martha Rechberger könnte Aufschluss über den Einsatz der Videokameras im Schlossmuseum geben. Offiziell darf die vermutlich keine Auskunft an Außenstehende erteilen. Nachdem mich ihre Tochter aber kalt abserviert hat, erwäge ich, die Mutter am Ticketschalter auszuhorchen. Falls auch sie mit den Fakten hinter dem Berg halten sollte, wäre ich gezwungen, eigenhändig nach den Videobändern zu wühlen.
    Sobald ich in den Schlosshof zurückgekehrt bin, werfe ich einen Kontrollblick zum Kassenhäuschen. Es wirkt momentan unbesetzt. Wo bleibt die Kassiererin? Im Häuschen des Häuschens?
    Langsam nähere ich mich dem Schalter. Das gläserne Kundenfenster steht weit offen. Noch immer ist niemand zu sehen, auch keine weiteren Museumsbesucher. Das Terrain scheint für einen günstigen Augenblick entvölkert, einsam und verlassen. Auf der grauen Theke liegen Prospekte, Süßigkeiten und Eintrittskarten. Vor der Rückwand des engen Kabäuschens surrt leise eine Kaffeemaschine neben dem überfüllten Spülbecken.
    Ich neige mich über die Schalterablage und äuge in einen düsteren Nebenraum. Vorerst ist dort wenig zu erkennen. Sobald sich meine Augen jedoch an die Lichtverhältnisse gewöhnt haben, registriere ich ein brusthohes Wandregal. Darauf stehen acht kleine Monitore. Auf keinem einzigen flimmert momentan ein Bild.
    Nach einem hastigen Blick über die Schulter drücke ich kurz entschlossen die Klinke. Die Tür ist unverschlossen. Die gut geölten Scharniere funktionieren nahezu geräuschlos. Ich trete ein, schließe die Pforte und schaffe mir einen schnellen Überblick. Welche Ausrede würde ich vorbringen, sollte ich dabei überrascht werden?
    Prüfend gleiten meine Augen über die toten Mattscheiben der acht Bildschirme. Ob sie wenigstens in Betrieb waren, als Eva Rechberger belästigt wurde? Wo werden Aufnahmen abgespeichert? Etwa auf der Festplatte des Notebooks, das unter dem Regal verstaubt?
    Im Hintergrund rauscht eine Toilettenspülung.
    Ich flüchte aus der verbotenen Zone.
    »Hat Ihnen die Ausstellung gefallen?«, erkundigt sich Frau Rechberger offensichtlich völlig ahnungslos, als ich mit Schwein bereits wieder auf dem

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