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Scherbenhaufen

Scherbenhaufen

Titel: Scherbenhaufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Auftritt auch dem Gerichtsschreiber Walter Kern nicht. Er stellte sich insgeheim die Frage, ob der französische Redeschwall Hand und Fuß hatte. Drohte seinem Chef der Adamsfall?
     
     
     

2
    »Hoffentlich findet das ewige Sauwetter bald ein Ende«, brummt mein Assistent Jürg Lüthi und schaltet einen Gang hinunter.
    »Der Frühling ist nicht mehr aufzuhalten«, tröste ich ihn. »Schau dir die Forsythien-Sträucher an! Die werden von Tag zu Tag gelber.«
    »Ich auch. Mir läuft gleich die Galle über.«
    Sein Missmut amüsiert mich. Wenn Jürg Lüthi schlechte Laune hat, erinnert er an einen trotzigen Pubertierenden. Sein burschikoses Outfit unterstreicht diese Assoziation. Er trägt verwaschene Bluejeans, ein großkariertes Flanellhemd unter ärmellosem Rautenpulli und einen Lederblouson aus Nappaleder. Auf dem Kopf sitzt eine braune Schirmmütze aus grober Wolle.
    Punkto Mode falle ich in meiner hellgrauen Cordhose und der traditionellen Tweedjacke weit ab.
    Plötzlich gibt Jürg Lüthi Saures. Er tritt abrupt auf das Bremspedal. Der fabrikneue Fiat 500 bleibt nach wenigen Metern bockstill stehen.
    Wir werden in die Sicherheitsgurte geworfen und gleich darauf so heftig zurückgeschleudert, dass sich die Nackenstützen verstellen. Ein Wunder, hat keiner der sieben Airbags reagiert!
    Ein nachfolgender Automobilist lässt die Bremsscheiben glühen, überholt laut hupend und bohrt sich demonstrativ den Zeigefinger in eine niedere Schläfe.
    »Schon vorbei!«, entschuldigt der impulsive Chauffeur sein Manöver.
    Zugegebenermaßen habe ich die Anschrift der Töpferei Weihermann ebenfalls übersehen. Der Fahrkünstler setzt ein paar Meter zurück und biegt schwungvoll auf den Kundenparkplatz ein.
    »Dann wollen wir mal«, meint Jürg Lüthi, als wäre nichts Besonderes vorgefallen. Er entsteigt dem kulleräugigen Retro-Flitzer und strebt dem Laden zu.
    Ich beeile mich, mit ihm Schritt zu halten.
    Robert Weihermann, Seniorchef der Töpferei, führt den Betrieb in dritter Generation. Er fertigt Werkstücke, die jenen aus der Blütezeit der Thuner-Majolika in Vielfalt der Formen und der Glasuren ebenbürtig sind.
    Kraftvoll stößt Jürg Lüthi die verglaste Ladentür auf und lässt mir den Vortritt.
    »Vorsicht!«, werden wir von einer pausbäckigen Verkäuferin gewarnt. »Alles ist zerbrechlich hier«, und ergänzt kokett: »Außer meinem Herzen, vielleicht.«
    »Wir werden von Herrn Weihermann erwartet«, informiere ich betont sachlich. Anbiederungen und Vertraulichkeiten wildfremder Zeitgenossen lehne ich kategorisch ab.
    Die Sonne im Gesicht der drallen Lehrtochter erlischt schlagartig. Sie wendet sich nach hinten um und bellt: »Chef!« An uns gerichtet: »Er kommt gleich.« Anschließend lässt uns das launische Wesen wie zwei Deppen stehen und zischt ab. Entgegen ihrer Ankündigung dauert es. Wir beginnen darum, das reichhaltige Sortiment im Laden zu inspizieren. Neben traditionell dunkeltonigen Gefäßen und Platten finden wir moderne Töpferware in Pink und Silber. Auch stupsnasige Gartenzwerge, monströse Häuschenschnecken und kauernde Raben fehlen nicht.
    Jürg Lüthi deutet zwischen zwei bauchige Vasen unweit der gefräßigen Registrierkasse: »Hast du das gesehen, Hanspudi?«
    »Was? Zeig her!«
    Jürg Lüthi ergreift ein fuchsbraunes Lederetui und wiegt es prüfend in der rechten Hand.
    »Ein Pistolenholster«, stelle ich an seiner Stelle verwundert fest.
    »Inklusive Inhalt«, bestätigt mein Mitarbeiter. Er öffnet die Deckellasche, begutachtet die Waffe und präzisiert fachkundig: »Eine SIC. Die Armeepistole 49.«
    Ich stimme ihm zu und scherze: »Ob das Lehrtöchterchen damit die Tageseinnahmen zu verteidigen hofft?«
    Endlich erscheint der Töpfermeister. Eilig spediert Jürg Lüthi die Waffe an ihren Platz zurück. Wir grinsen verlegen. Fälschlicherweise interpretiert Robert Weihermann diese Heiterkeit als Würdigung des modellierten Zwergenvolkes. »Ja, ja. Diese Wichte gehen weg wie warme Semmeln. Da, den Zwerg mit dem erhobenen Stinkefinger, den verkaufen wir wie Verrückte.«
    »… an Verrückte«, korrigiert Jürg Lüthi murmelnd zu meiner Linken.
    Erst jetzt erkenne ich den unfeinen Fingerzeig des tönernen Gesellen und lächle aus reiner Höflichkeit. Robert Weihermann soll schließlich unser Kunde werden. Nicht umgekehrt.
    Der Seniorchef steht kurz vor dem Pensionsalter. Er ist von gedrungener Statur. Der Kopf wird seitlich und im hintern Schädelbereich von gelbweißem, zehn Zentimeter

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