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Scherbenmond

Titel: Scherbenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Schmunzelnd deutete er auf seinen Bauch.
    »Du hast sie aufgegessen? So schnell? Die war doch glühend heiß! Du hättest dich verbrennen können. Mann, Paul, man kriegt Kehlkopfkrebs, wenn man so schnell heiße Sachen in sich reinstopft!«
    »Ellie«, unterbrach er mich und sein Lächeln zog sich in die Augenwinkel zurück, wo es langsam verglomm. »Alles okay. Ich hab mich nicht verbrannt und ich hatte Hunger. - Warum bist du hier?«
    Ich aß ein paar Fritten, bis ich feststellte, dass sie mir immer weniger schmeckten, je länger Pauls unbeantwortete Frage an mir nagte. Also konnte ich auch reden statt essen. Ich schob die Pommes weg.
    »Papa ist verschwunden.«
    »Ach, mal wieder.« Der kalte Sarkasmus in Pauls Stimme verdarb mir den letzten Rest Appetit. »Ist ja ganz was Neues.«
    »Es ist neu«, blaffte ich ihn an. Der schmuddelig wirkende Mann, der bisher stumm am anderen Ende des Tresens sein Bier getrunken hatte, linste zu uns herüber. Doch Paul zuckte unbeeindruckt mit den Schultern.
    »Ich hoffe nur, dass er diesmal tatsächlich wegbleibt und Mama die Chance hat, sich jemanden zu suchen, der klar im Kopf ist und es ernst mit ihr meint.«
    »Papa hat es ernst mit ihr gemeint!« Jetzt wurde ich laut. Die Neugier des Biertrinkers war vollends geweckt. Betont unauffällig rückte er ein Stückchen näher. »Wie kannst du so etwas sagen? Vielleicht lebt er nicht mehr! Mama sitzt zu Hause und heult sich die Augen aus und du findest es auch noch gut?«
    »Ellie, ich dachte, du weißt, dass Papa ... Wir hatten doch darüber gesprochen ... er ist ...« Paul suchte nach Worten. »Er hat einen Sprung in der Schüssel. Und er geht notorisch fremd.« Nun hörte auch die Frau hinter der Theke auf, ihre Fritteuse zu putzen, und spitzte die Ohren. Ich versuchte, mich zu sammeln. Stimmt, ich hatte im Sommer Paul gegenüber so getan, als ob ich seiner Meinung sei, und ihn ganz nebenbei darum gebeten, niemandem etwas von Papas »wilden Theorien« (haha) zu erzählen. Ich hatte das getan, um meinen Bruder zu schützen, denn Mahre mochten es nicht, wenn die Menschen von ihrer Existenz erfuhren, und sicher war sicher. Aber ich war mir genauso sicher, dass weder die Frittenverkäuferin noch der dickliche Alkoholiker, der uns hier Gesellschaft leistete, zum Volk der Nachtmahre gehörte. Trotzdem sollte ich mich ein wenig zusammenreißen.
    »Er hat mir einen Auftrag hinterlassen.«
    »So, hat er das?« Der bittere Zug um Pauls Mund verstärkte sich und sein Blick wurde so stählern, dass ich ihm auswich. Es war nicht einmal mehr die Spur eines Lächelns in seinem Gesicht. So hatte er mich nie zuvor angeschaut. Eine irritierende Sekunde lang hatte ich das Gefühl, einem völlig Fremden gegenüberzustehen.
    »Ja, hat er«, erwiderte ich bissig. »Ich soll dich nach Hause holen. Deshalb bin ich hier.« Das mit den Mahren konnten wir auch später klären, ohne sensationslüsterne Mithörer.
    »Genialer Plan«, höhnte Paul. »Das hat er mal wieder klasse eingefädelt. Sein geliebtes Töchterchen holt den verlorenen Sohn zurück, damit er sein Gewissen entlasten und sich darauf ausruhen kann. Du erledigst die Drecksarbeit für ihn. Und er darf sich einbilden, dass sein Verschwinden am Ende sogar etwas Gutes bewirkt hat. Vergiss es, Ellie. Ohne mich.«
    »Ich erledige hier keine Drecksarbeit!«, wetterte ich aufgebracht. Ich griff in meine Fritten und drückte sie Paul auf den Mund. Verblüfft öffnete er ihn, Ein paar der Pommes rieselten über seinen teuren Mantel, der Rest landete auf dem feuchten Asphalt. Sein Arm jedoch war schon nach vorne geschnellt und hatte mich am Handgelenk gepackt. Ich hatte vergessen, welch schnelle Reaktionsfähigkeit er besaß. Doch es gelang mir, mich wieder loszureißen. Wütend fegte ich sein Bier vom Tresen. Es zerplatzte zischend.
    »Glotzen Sie nicht so blöd!«, herrschte ich die Bedienung an und wandte mich wieder Paul zu. »Papa ist nicht verrückt. Er ist ein Halbblut und du wirst gefälligst nach Hause kommen!«
    »Ellie, bitte ... ein bisschen leiser ... und ich werde nicht nach Hause kommen.«
    »Ach, dann friss dir halt noch ein bisschen Speck an und rede dir ein, dass dein Vater den Verstand verloren hat, um der Wahrheit nicht ins Gesicht blicken zu müssen. Hier, bitte schön.« Ich schob ihm die restlichen Pommes rüber und drückte den Ketchup auf ihnen aus, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Die Flasche gab pupsend ihr Letztes. »Guten Appetit, Fettsack.«
    Ich drehte mich auf dem

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