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Scherbenmond

Titel: Scherbenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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François’ Gift in Colins Körper. Würde es Spuren hinterlassen wie Tessas Gift in Tillmann?
    »Nein, Ellie. Es passierte das, was passieren kann, wenn man eine vergiftete Wunde aussaugt... «
    »Es ist auf dich übergegangen«, ergänzte ich, bevor mir klar wurde, was ich da eigentlich sagte. Nicht François’ Gift. Sondern mein eigenes. Ich war Colins Gift gewesen. »Meine schlechten Gefühle? Ich habe dich so werden lassen?« Diese Vorstellung beunruhigte mich dermaßen, dass meine Hände zu zittern begannen.
    »Nein ... nein. Gut, ein wenig davon. Aber es waren vor allem die verfaulenden Reste all der Träume und Gefühle, die er in sich trägt und nicht verdauen möchte. Er sammelt alles, was er kriegen kann, ist aber zu geizig, um es vollständig zu verarbeiten. Er ist sein eigener Feind und sein Magen ein Hort der Verwesung.«
    »Deshalb der Gestank ... «
    »Seine bräunliche Haut. Seine Körperwärme«, ergänzte Colin nickend. »Nicht Leben, sondern Fäulnis.«
    Ja, langsam verstand ich, was geschehen war. Vermutlich war diese Fäulnis auch der Grund dafür, dass man sein Alter so schlecht schätzen konnte. Ein Neunzehnjähriger mit Tränensäcken und Falten ...
    »Kann er uns denn noch einmal gefährlich werden? Was ist er jetzt - ein Mensch oder ein Mahr?«
    »Ein Mahr, der nicht mehr rauben kann. Auf die Menschen wird er wie ein Mann wirken, der den Verstand verloren hat. Er wird Tag und Nacht durch die Straßen irren, voller Gier und Hunger, sich hin und wieder auf einen Rücken hängen und ohne jegliche Mühe abschütteln lassen. Dann werden sie ihn für gemeingefährlich erklären, obwohl er das nicht ist, und ihn einsperren. Er wird ausbrechen, wieder eingesperrt werden, wieder ausbrechen ... Ein lästiges Übel, mehr nicht.«
    Das war also seine Strafe. Ein ewiger Hunger, der nicht gestillt werden konnte. Er hatte es verdient und trotzdem keimte für eine Sekunde so etwas wie Mitleid in mir auf, das sofort von meinen Gedanken an Paul und das, was François ihm angetan hatte, niedergetrampelt wurde.
    »Kein Mitleid, mein Herz.« Colin berührte kühl meine Wange. »Er wollte euch alle. Ich habe seine Pläne vor mir gesehen, als ich ihn vergiftete. Du wärst die Nächste gewesen. Dann Tillmann. Dann Gianna. Und das Tragische war, dass ich ihm mit meiner Taktik sogar zugearbeitet hatte. Denn du standest kurz davor, alle um dich herum zu vergraulen mit deinem Verhalten. Dich zu isolieren - so wie Paul damals wahrscheinlich isoliert war, bevor François zugeschlagen hat. Das wäre sein Sprungbrett gewesen.«
    »Meine Gefühle waren richtig«, sagte ich wie zu mir selbst.
    »Ja, das waren sie. Richtig und wertvoll. Und sie widersprachen vollkommen dem, was ich von dir verlangt hatte. Das war die größte Schwierigkeit. Erinnerst du dich, was ich dir in Trischen gesagt habe, nach dem ersten Training?«
    Nicht nur daran, was er mir gesagt hatte. Sondern auch daran, was er nur wenige Minuten davor mit mir gemacht hatte. Zu gut erinnerte ich mich daran.
    »Dass ich dir vertrauen soll, wenn es zum Kampf kommt.«
    Colin verbeugte sich knapp, als wolle er mir seinen Respekt erweisen. Kein unterwürfiges Buckeln, sondern die starke, treue Geste eines Kriegers. »Es ist beinahe unmöglich, jemandem zu vertrauen, der einem Todesangst einjagt. Du hast es dennoch getan. Im entscheidenden Moment hast du es getan.«
    »Aber ich hatte gar nicht mehr daran gedacht!«, rief ich. Ja, einen Tag vor dem Kampf hatte Tillmann mir noch eingebläut, Colin zu vertrauen. Doch als er mich gerufen hatte, hatte ich nicht mehr daran gedacht. Es war mir entfallen.
    »Genau das ist Vertrauen, Ellie. Wenn man nicht mehr darüber nachdenkt, sondern es einfach tut. Wäre ich noch dein Lehrer, würde ich jetzt sagen, dass ich stolz auf dich bin. Aber das wäre zu pathetisch. Ich würde es dir lieber auf andere Weise zeigen.«
    Colin zog mich zu sich und bettete meinen Rücken an seine Brust. Seine kühle Hand schob sich unter meinen Pulli, um in sanften Kreisen über meinen nackten Bauch zu streicheln, als wolle er ihn heilen. Jetzt erst merkte ich, wie sehr er schmerzte und litt. Doch Colins Berührungen linderten die Qualen sofort.
    »Der Sitz der Gefühle«, murmelte Colin, seine Lippen dicht an meinem Hals. »Ich musste hineintreten, weil es kaum etwas Niederträchtigeres gab, was ich tun konnte. Und die Pein bündelte dein Elend. Es tut mir leid. Ich habe nichts zerstört von dem, was du noch brauchen wirst. Für später.« Ich

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