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Scherbenmond

Titel: Scherbenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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...«
    »Generell gesehen ist Tessa ein paar Hundert Jahre älter als ich und somit unbesiegbar«, fuhr Colin mir leicht genervt dazwischen. »Wie oft sollen wir das noch durchkauen?«
    »Tessa?«, fragte Paul mit geschlossenen Augen.
    »Der Mahr, der Colin erschaffen hat und dessen Knochen wieder von alleine zusammenwachsen«, erklärte ich hilfreich. »Du weißt schon, das, was ich dir erzählt hab und für dich Beweis genug war, mich für verrückt zu erklären.«
    »Eine schmierige, ungepflegte Vettel«, ergänzte Tillmann.
    »Noch ungepflegter als François?«, wollte Gianna gähnend wissen. Tillmann und ich lachten nur abschätzig auf.
    »Ein paar Hundert Jahre alt«, überlegte Paul. »Die würde ich gerne mal aufschneiden, um in ihren Bauch zu schauen.«
    »Würdest du nicht«, widersprachen Tillmann und ich im Chor.
    Colin knurrte unwillig, um uns zur Räson zu bringen. »Schluss jetzt. Wir befinden uns hier nicht in einem Mittelalterrollenspiel. Es geht weder um Tessas Körperpflege noch um jugendliche Challenges, sondern um die Tatsache, dass sie es wittert, wenn Ellie und ich glücklich sind - und meine Fährte aufnehmen kann, um mich zu dem zu machen, was ich bin. Ein Dämon. Und dass ich keine Chance gegen sie habe.«
    Stimmt nicht ganz, dachte ich bitter. Sie hatte uns vorhin auch gewittert, obwohl wir nicht so glücklich gewesen waren, wie wir es hätten sein sollen. Aber wir hatten uns nicht am schützenden Meer befunden und wir hatten sie provoziert. Wir hatten uns von ihr nicht beirren lassen. Trotzdem - das zeigte mir umso mehr, dass wir den Kampf gegen sie antreten mussten. Nun nahm sie schon unsere Fährte auf, obwohl wir nicht glücklich waren. Es reichte.
    »Du dachtest auch, du hättest keine Chance gegen François. Aber du hast einen Weg gefunden, ihn unschädlich zu machen«, widerlegte ich Colins Einwand. »Warum sollte es bei Tessa keinen Weg geben? Außerdem hast du mal gesagt, dass es zwei Methoden gibt, mit denen Mahre sich gegenseitig töten können, und ...«
    »Diese zweite Methode kommt für mich und Tessa nicht infrage«, unterbrach Colin mich barsch. »Es wird niemals funktionieren. Können wir das nicht allein besprechen, wenn du schon nicht lockerlassen willst?« Ihm war wie mir nicht entgangen, dass Tillmann mit hellwachen Augen auf seinem Sitz thronte.
    »Allein? Wir sind doch unter uns. Familie. Jetzt mach nicht einen auf verschwiegen, Colin. Du hast Tillmann eine Gebrauchsanweisung gegeben, wie er mich im Bett zu handeln hat. Intimer geht es ja wohl nicht mehr.« Langsam verlor ich die Geduld. Nun hatte der Schlaf auch bei Gianna und Paul keine Chance mehr - dank meiner brisanten Enthüllung und eines Aprilwolkenbruchs, der gerade über uns niederging und den Himmel verdüsterte, sodass Colin genötigt war, das Licht des Wagens anzuschalten.
    »Also doch!«, rief Gianna verzückt. »Ich hab’s gewusst! Ich hab´s die ganze Zeit gewusst.«
    »Du irrst. Sie hat mich abgewiesen«, sagte Tillmann mit einer tief betrübten Leidensmiene, die so unecht und aufgesetzt war, dass ich ihm einen Knuff ans Knie versetzte. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie ein Lächeln über Colins Züge huschte. Stimmt, das wusste er ja noch gar nicht.
    »Du setzt einen anderen Typen auf meine Schwester an?« Paul schüttelte missbilligend den Kopf, doch ich sah auch Hoffnung in seinen Augen schwelen. Besser Tillmann als Colin, konnte ich darin lesen. »Was sind denn das für kranke Sachen?«
    »Beschwer dich nicht, es sollte dir das Leben retten«, sagte Tillmann lässig. »Und ich hätte es ihr schon richtig schön gemacht.« Er grinste mich unverschämt über den Rückspiegel an.
    »Idiot«, fauchte ich. »Dir mache ich es auch noch schön. Jedenfalls«, ich wandte mich wieder Colin zu, der die Augen zur Wagendecke verdrehte, aber nach wie vor schmunzelte, »gibt es eine zweite Methode. Ich möchte erfahren, was für eine es ist, bevor ich deine Flucht akzeptiere. Denk darüber nach. Bitte.«
    Colin schwieg. Der Wolkenbruch wich einer strahlenden Sonne und es dauerte nur wenige Augenblicke, bis Paul, Gianna und Tillmann trotz ihrer Sensationsgier fest eingeschlafen waren. Auch ich dämmerte benebelt vor mich hin und wurde erst wieder wach, als wir das Meer erreicht hatten - die Ostsee.
    Ohne ein unnötiges Geräusch zu verursachen, schoben Colin und ich uns aus dem Wagen und ließen die anderen zurück. Er hatte es vorhin schon richtig formuliert. Ich empfand es genauso: Seine Flucht war eine Sache

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