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Scherbenmond

Titel: Scherbenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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zwischen ihm und mir und auch ich wollte keine Zuhörer und erst recht keine Zuschauer haben, wenn wir uns verabschiedeten. Es würde schwer genug sein.
    Vor uns lag eine einsame Bucht, übersät mit kleinen Felsbrocken, die in der milden Abendsonne schimmerten. Ich musste lange geschlafen haben. Vielleicht hatte Colin zwischendurch eine Pause gemacht, um dem grellen Mittagslicht zu entkommen.
    Die Wellen gebärdeten sich sanfter und weicher als die der Nordsee und ihre Kämme spiegelten das Blau des Himmels in tausendfachen Schattierungen wider, bevor sie sich an den ausgewaschenen Steinen brachen. Es war warm geworden. Obwohl die Sonne schon als blutroter Ball tief über dem Horizont hing, hatte ich das Gefühl, sie könne mein Gesicht entflammen, wenn ich hineinsah.
    »Noch nicht«, flüsterte ich und blieb stehen. Wir hatten das Wasser fast erreicht. »Bitte noch nicht.«
    Wir standen nebeneinander, ohne uns zu berühren, die Augen geschlossen, und versuchten, nicht an das zu denken, was uns bevorstand. Es würde mich wieder zerreißen und dieses Mal kannte ich die Folgen. Als Colin sich das letzte Mal von mir verabschiedet hatte, in der Nacht auf dem Feld, hatte er mich dabei träumen lassen und es hatte mir unverhoffte Kraft gegeben, wenigstens den nächsten Morgen anständig zu überstehen. Doch dann hatte das Leiden begonnen und nicht aufgehört, bis ich ihn wiedergesehen hatte. Damit ich wieder dort endete, wo wir uns trennen mussten. Bei Tessa. Sie herrschte über uns und ich wollte das nicht länger dulden.
    »Ich kenne die zweite Möglichkeit nicht, Ellie. Nur ihre Voraussetzung. Sie trifft auf uns nicht zu. Nicht auf Tessa und mich.«
    »Aber ...«
    »Ellie. Liebes. Ich weiß, dass du glaubst, immer einen Weg zu finden. Aber so unendlich das Leben von uns Mahren ist, so endlich sind doch unsere Fähigkeiten. Ich bin erst hundertneunundfünfzig. Ich kann es nicht ändern. Wir sind an dem gleichen Punkt angelangt, an dem wir schon einmal waren, und dieses Spiel wird so lange weitergehen, bis du dein Näschen gestrichen voll davon hast und mich verlässt.«
    »Im Moment verlässt du mich.« Ich öffnete die Augen und sah ihn an. Ich mochte ihn auch, wenn seine Haare rot waren und das grünblaue Eis zwischen seinen Lidern hervorblitzte. Doch lieber war er mir dunkel, dunkel wie die Nacht, die seine Haut schimmern ließ und seine Züge vollendete. Ihn schmerzlich schön machte. Der Gedanke, ihn bei Tageslicht fliehen zu lassen, seine Nachtgestalt nicht noch einmal sehen und fühlen zu können, erfüllte mich mit tiefer Verbitterung.
    »Wir sind nicht am gleichen Punkt, Colin. Nein, es ist nicht so wie im Herbst.«
    »Stimmt. Ich habe dir viel Schlimmeres angetan. Und schon die Ohrfeige am Bach war eigentlich unverzeihlich.«
    »Das meine ich nicht«, erwiderte ich abweisend. »Wir sind nicht mehr alleine. Wir haben Freunde.« Ich deutete nach hinten auf den Volvo, der verborgen im Schatten eines kleinen Wäldchens stand.
    »Freunde? Paul und Gianna Freunde? Ellie, ich bitte dich ...«
    »Ich werde ihnen alles erklären und Paul wird es verstehen. Gianna sowieso. Klar wünscht er sich einen anderen Freund für mich, wie jeder große Bruder. Trotzdem - wir sind nicht mehr allein.«
    »Aber sie können nichts an alldem ändern, verstehst du das nicht?«
    »Vielleicht doch! Ich weiß, du hattest nie echte Freunde, nie dauerhaft, aber bei François haben wir zusammengearbeitet. Tillmann ist zu allem bereit, zu allem. Er wird Tessa sowieso suchen. Und ich werde Papa suchen. Wir werden nach Italien gehen, ob du willst oder nicht. Wir können es mit dir tun oder ohne dich. Du hast die Wahl.«
    »Ellie ...« Colin sah mich gequält an. Ich blinzelte, weil das Türkis seiner Augen mich blendete. Außerdem wurde mir schwindelig. Er legte mir seine kühle Hand auf den Rücken, um mich zu stützen. »Ihr habt gerade erst überlebt. Es war knapp. Ich habe dich fast umgebracht ... und deine Seele wird das nicht einfach so hinnehmen können. Deine nicht. Und das sollte sie auch nicht.«
    »Fast umgebracht. Die Betonung liegt auf fast, nicht auf umgebracht. Ich will es ja auch gar nicht sofort tun. Tessa soll ruhig denken, dass du fliehst, dass wir kuschen.«
    »Himmel, bist du stur.« Colin seufzte schwer. »Ich kann zwar verstehen, warum du jetzt so denkst. Aber ...«
    »Nichts aber. Und ich kann verstehen, warum du all das getan hast. Wie wir damit umgehen, steht auf einem anderen Blatt. Colin, ich hab etwas gut bei dir

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