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Schicksalsmord (German Edition)

Schicksalsmord (German Edition)

Titel: Schicksalsmord (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Limar
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nicht weniger als ich. Er hatte mich nicht aufgefordert, wir tanzten miteinander, weil der Tanzlehrer in regelmäßigen Abständen das Weiterrücken der Tanzpartner anordnete, um so Abwechslung in den Paarungen zu erreichen. Stocksteif und aneinander vorbeiblickend drehten wir unsere Runden, als Thomas mir plötzlich heftig auf den Fuß trat. Er blieb abrupt stehen und wurde so rot, dass ich befürchtete, gleich werde ihm das Blut aus der Nase schießen. Seine hilflos gestammelte Entschuldigung erregte mein Mitleid und plötzlich war ich ganz locker. „Macht doch nichts,“ sagte ich „ich werde mich später revanchieren.“ Wir lachten beide befreit auf und begannen ganz unverkrampft miteinander zu reden. Thomas holte mich nun zu jedem Tanz, wir wurden Verbündete, machten uns über der affektierte Gehabe der anderen Paare und über die übertriebene Ernsthaftigkeit des Tanzlehrers lustig und fanden plötzlich Spaß an der Sache.
    Nach der Tanzstunde brachte er mich nach Hause und ich weiß noch ganz genau, worüber wir uns beim ersten Mal unterhielten: Über Eichhörnchen! Mit Wärme und Begeisterung berichtete mir Thomas von seinen Beobachtungen auf dem baumreichen elterlichen Grundstück. Regelmäßig sah er zu, wie die Eichhörnchen ihre Nester bauten, er gebrauchte dafür den korrekten Ausdruck Kobel, der auch mir geläufig war.Des Öfteren war er Zeuge, wie die Mütter bei vermeintlicher Gefahr ihre Jungen im Maul von einem Nest ins andere transportierten. Noch nie hatte ich jemanden in meinem Alter getroffen, der sich im gleichen Maße wie ich für Natur und für Tiere begeisterte. Doch auch andere Interessen teilten wir, bald tauschten wir Bücher aus und Thomas erklärte mir die Sternbilder. Meine Zuneigung zu ihm wuchs stetig, sie war wie ein warmer Mantel, der mich einhüllte und schützte. Als er damit begann, beim Spazierengehen meine Hand zu halten und mich zum Abschied zu küssen, war ich so glücklich, dass man es mir ansah und mich darauf ansprach.
    Die Wende kam an einem nasskalten Februartag, an dem ich mich mit einer eitrigen Angina ins Bett legen musste. Der Zustand war zunächst nicht einmal unangenehm, denn in meinen Fieberträumen war ich mit Thomas zusammen und empfand einen leichten, schwebenden Glückszustand. Meine Mutter war besorgt, nicht nur wegen meiner Erkrankung, sondern noch mehr wegen Thomas. „Mit wem geht er denn nun zur Tanzstunde?“, dachte sie laut nach. Ich hatte da keine Sorge, vermutlich würde Thomas einfach ein bis zwei Stunden ausfallen lassen, bis ich wiederhergestellt war. Für den Abschlussball waren wir längst fest verabredet. Es war mir peinlich, wie sich meine Mutter in unsere Freundschaft einmischte und sie aufbauschte. „Etwa der Sohn von dem Dr. Gondschar?“, hatte sie aufgeregt gefragt, als ich ihr auf ihre Frage mitteilte, wer mein Tanzstundenpartner war. Thomas' Vater war der Chefarzt unserer Kurklinik und eine höchst angesehene Persönlichkeit. Für mich spielte das jedoch nicht die geringste Rolle, und Thomas erwähnte seinen Vater nie. Erst viel später wurde mir klar, welcher enorme Druck von dieser Seite auf ihm als einzigem Sohn lastete, und dass er einen großen Teil seiner Unsicherheit seinem übermächtigen Vater verdankte.
    Meine Mutter jedenfalls war schwer beeindruckt und sah in Thomas schon ihren künftigen Schwiegersohn, was mir äußerst unangenehm war. Von ihr kam auch die Idee, Lydia solle mich bei der Tanzstunde vertreten, damit Thomas während meiner Abwesenheit nichts versäume. Fürchtete sie etwa, er würde sich sonst eine andere Partnerin suchen? Da kennt sie Thomas schlecht, dachte ich, doch es sollte sich bald zeigen, dass ich ihn noch schlechter kannte.
    Meine Krankheit zog sich fast drei Wochen hin, nichts Ungewöhnliches bei meiner Konstitution. Gegen Ende dieser Zeit bemerkte ich eine eigenartige Geheimnistuerei zwischen Mutter und Lydia, die sich in Blicken und Andeutungen ergingen. Mutter übernahm es schließlich, mich aufzuklären. Jungen würden manchmal umständliche Wege wählen, wenn sie sich für ein Mädchen interessierten, begann sie selbst reichlich umständlich um den heißen Brei herumzureden. Thomas habe jedenfalls schon immer für Lydia geschwärmt und meine Bekanntschaft nur gesucht, um ihr näherzukommen. Leider hätte ich das wohl falsch verstanden und mir zu viel auf die Freundschaft mit Thomas eingebildet. Lydia täte das so leid, dass sie Thomas deshalb abweisen wolle, aber das wäre wirklich falsche

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