Schicksalsmord (German Edition)
aus unserer Kanzlei stammen könnten, sie dachte, ein unzufriedener Mitarbeiter ihres Ex-Mannes würde dahinter stecken. Im Nachhinein hat sie alles versucht, um den Schaden für mich zu begrenzen, aber es war einfach nicht möglich. Die Herkunft der Kopien ließ sich eindeutig nachweisen, weil eine für Dr. Tanner bestimmte, handschriftliche Anmerkung mitkopiert worden war.
Naja, mir ging es hinterher nicht mal schlecht. Ich bin zu Hause geblieben und habe von da aus den Bürokram für meine Freundin erledigt. Mich an Lydia zu rächen, daran habe ich eigentlich nie gedacht. Hass macht hässlich, wissen Sie, deshalb habe ich mich in meinem Leben nie damit aufgehalten. Aber man ist leider nicht alle Tage gleich.
Vor anderthalb Jahren starb Annabell ganz plötzlich. Ich war am Boden zerstört, es war, als wäre die Quelle meiner Kraft versiegt. Auf einmal bekamen all die hässlichen Erinnerungen und bitteren Gefühle neue Macht über mich. Das soll gewiss keine Entschuldigung sein. Ich hätte mich dieser Stimmung einfach nicht hingeben sollen, dann wäre es nie zu diesen scheußlichen Fotos gekommen.“
Vor Verwunderung riss ich die Augen ganz weit auf: „Die Fotos von Lydia mit dem Vermieter der Finnhütte? Die haben Sie gemacht?“
Ines Helmchen hob abwehrend die Hände. „Bewahre! Das nun wirklich nicht. Ein junger, sportlicher Mann hat sie gemacht, sein Name tut nichts zur Sache. Er kam als Praktikant in die Kanzlei, da war Lydia auch schon da. Sie hat ihn allerdings nie beachtet. Praktikanten und Referendare passten nicht in ihr Beuteschema. Er ist dann leider zweimal durchs juristische Staatsexamen gefallen, das war ein schwerer Schlag für ihn. Sein Vater war ein hohes Tier beim Justizministerium und hat ihm mächtig Druck gemacht. Ich war ja sowas wie die Mutter der Kompanie in der Kanzlei und habe ihn wieder aufgebaut. Er ist dann Privatdetektiv geworden, hat sich aber nicht lange damit abgegeben, ungetreuen Ehepartnern nachzuspüren. Inzwischen ist er ein gefragter Experte für die Aufdeckung von Wirtschaftskriminalität und lebt überwiegend im Ausland. Mir gegenüber hat er eine große Anhänglichkeit bewahrt, und als er mich wieder mal besuchte und in so schlechter Verfassung antraf, sagte er: „Räche dich endlich an der Intrigantin, dann wird es dir besser gehen.“
Ich war nicht seiner Meinung, aber ein paar Einzelheiten über Lydia habe ich ihm trotzdem erzählt. Und als die Fotos nicht viel später kommentarlos in meinem Briefkasten landeten, da habe ich sie nicht vernichtet. Ich war lediglich entschlossen, sie nie einzusetzen. Irgendwie unlogisch, nicht wahr?“
„Wieso?“ Ich zuckte die Achseln. „Letztendlich haben Sie es ja offensichtlich doch getan.“
„Ja, aber aus ganz anderen Motiven heraus. Anfang dieses Jahres bekam ich Besuch von Sarah, das ist eine unserer Renos. Sie erzählte mir, dass Lydia Dietrich verlassen habe, wegen eines Schönlings von Professor, der für seine Affären mit Studentinnen berüchtigt sei. Dietrich sei darüber furchtbar unglücklich, es wirke sich sogar auf die Arbeit aus. Reihenweise müssten Mandanten abbestellt werden, weil er angeblich wichtige Vorgänge aufzuarbeiten habe, doch die Akten blieben unberührt auf seinem Schreibtisch liegen, während er nur stumpf vor sich hin starren würde.
Ich erschrak, denn ich wusste was das bedeutet. Dietrich hatte schon früher schubweise unter Depressionen gelitten, was nur wenigen Eingeweihten bekannt war. Nun war es also wieder so weit, und der Auslöser war zweifellos Lydia.
Ich habe ihm die Fotos anonym zugeschickt, weil ich ihm damit helfen wollte. 'Sieh dir an, was für ein Flittchen sie ist', wollte ich damit ausdrücken, 'an der hast du nichts verloren. Und ihrem neuen Liebhaber wird sie demnächst ebenfalls Hörner aufsetzen.'
Und es sah sogar so aus, als wäre mein Plan aufgegangen. Nur ein paar Tage später besuchte Dietrich mich überraschend. Er wirkte zwar etwas melancholisch, dabei jedoch ruhig und gefasst. In aller Form entschuldigte er sich dafür, mir mit meiner Entlassung damals schweres Unrecht zugefügt zu haben. Jetzt wisse er definitiv, dass Lydia die Urheberin gewesen sei. Geahnt habe er es damals schon, aber einfach nicht wahrhaben wollen. Ich sagte, dass ich ihn verstanden hätte, und es war die Wahrheit. Er war nun mal bis über beide Ohren in Lydia verliebt gewesen. Damals hatte ich ihm das sogar gegönnt, es schien ihm gut zu tun. Später hat es sich dann leider ins Gegenteil
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