Schicksalspfad Roman
attraktiv fand. Es war ein klassisches Beispiel dafür, dass das, was einen anfangs zu einem Menschen hinzieht, später die Beziehung ruiniert.
Als sie beim Krankenhaus ankamen, bekam Cherry kalte Füße und weigerte sich, es zu betreten.
»Scarlett«, sagte Joanne, »mach mich nicht sauer!«
»Ich kann nicht«, jammerte Cherry und blickte sich immer wieder nach Rick um. »Ich bewerbe mich einfach bei Cornell oder Lenox Hill.« Aber Joanne schob sie durch die Tür, und dann standen sie schon vor dem Lift.
Auf der Intensivstation ging Cherry mit gesenktem Kopf direkt zu Kathys Büro. Joanne schlenderte zum Schwesternzimmer.
Die Bürotür stand offen. Kathy saß über einem Stapel Akten und blickte mit dem verblüfften Gesichtsausdruck einer Schlafwandlerin hoch.
»Oh«, sagte sie und fasste sich an den Kopf, als suchte sie dort etwas. »Cherry! Da sind Sie ja! Wunderbar! Setzen Sie sich.«
Cherry merkte, wie nervös Kathy war.
»Wir freuen uns alle sehr, Sie wieder hier zu haben«, sagte Kathy mit der gleichen Vertraulichkeit, die sie sich gestern erlaubt hatte, als sie von ihren jugendlichen Eskapaden sprach. »Es war sicher nicht leicht nach allem, was Sie durchgemacht haben.«
»Nein«, erwiderte Cherry. »Mein Magen ist wie ein Stein. Ist Rick … ich meine Dr. Nash … ist er hier?« Schon bei der Frage wurde es Cherry wieder übel. Sie wollte am liebsten gleich wieder verschwinden.
Kathy sagte: »Wollen Sie mir etwa sagen, dass Sie es noch nicht gehört haben?«
»Was denn?«, fragte Cherry. Sie war nicht sicher, was sie zu erwarten hatte.
»Oh«, meinte Kathy, »Sie wissen es wohl noch nicht. Nun, Dr. Nash hat uns informiert, dass er mit sofortiger Wirkung Urlaub nimmt.«
»Urlaub?«
»Mit anderen Worten«, sagte Kathy, »er bewirbt sich woanders um eine Stelle.«
»Er macht was …? Aber warum? Das verstehe ich nicht.«
»Ich kann das nicht mit Sicherheit sagen, aber ich glaube, dass Dr. Nash Peinlichkeiten vermeiden will. Statt herzukommen und sich wegen seines Fehlverhaltens zu verantworten, zieht er es vor, der Sache aus dem Weg zu gehen. Eine ziemlich feige Entscheidung, wenn Sie mich fragen, aber durchaus verständlich.«
Cherry war schockiert, aber da sie die Neuigkeit von Kathy erfuhr, machte es Sinn. Natürlich würde er hier nicht mehr auftauchen, falls er glaubte, dass Cherry sich an Kathy oder Fred gewandt hatte! Warum war sie noch nicht selbst darauf gekommen?
Sie war ungeheuer erleichtert, aber es schmerzte trotzdem. Der Verlust war für sie schlimmer als der Verrat. Aber da sie sich auf Joanne und Grace stützen konnte und sich ihrem Beruf neu verpflichtet fühlte, konnte sie es wohl aushalten. Sie rief sich immer wieder Grace’ Worte in Erinnerung: Besser jetzt als später mit einer noch schlimmeren Enttäuschung fertig werden.
Joanne trug ihre engste Jeans und ein schwarzes Sweatshirt, als sie sich auf den Weg zum Hafen machte. Hoag hatte ihr geraten, etwas anzuziehen, das ruhig Schaden nehmen konnte - wohl ein Hinweis auf die schreckliche Möglichkeit, dass das Boot kenterte. Sie ging rasch durch die stillen Straßen, unter dem frühherbstlichen goldorangefarbenen Baldachin der Bäume, und war dankbar für diese Chance, dem Kummer über ihre zerbrochene Ehe zu entkommen. Sie war auch dankbar, dass Hoag vermutlich keine ernsthaften Absichten ihr gegenüber hegte - er war einfach ein netter Typ. Und das war momentan alles, was sie brauchte.
Hoag war bereits auf dem Boot und wischte gerade mit einem weißen Lappen das Steuer ab. Er trug ein rostfarben kariertes Flanellhemd über einem grauen Kapuzensweatshirt, eine sehr dunkle Sonnenbrille und eine Kappe der New York Giants. Das passte alles sehr gut zu seinem grauen Bärtchen. Joanne hätte nie gedacht, dass sie das Wort im Zusammenhang mit dem Captain benutzen würde, aber ja, er sah irgendwie sexy aus.
»Guten Morgen«, rief Joanne zu ihm hinüber.
Hoag blickt auf, als sie über die Gangway stakste. »Morgen«, sagte er, sichtlich erfreut über ihren Anblick. »Du bist aber früh dran.«
»Ich wollte mein Schiff nicht verpassen«, meinte Joanne und sah Hoag dabei bewundernd an. Er sah aus wie ein Hell’s-Angels-Rocker auf einem Boot. »He, wo ist deine Kappe?«
»Habe ich hier.« Hoag nahm die Skipper-Kappe vom Sitz und warf sie Joanne zu. Sie fing sie auf.
»Ist die für mich?«, fragte sie und betrachtete sie. Sie war wie die Krone für einen König der Meere.
»Ich habe sie extra reinigen lassen«,
Weitere Kostenlose Bücher