Schieber
hinterher ja
nicht mehr darüber berichten. Das ist die einzige Arbeit, bei der Sie nicht von
den Fehlern oder vom Pech Ihrer Kollegen lernen können.«
Der Mann in der Halle hat inzwischen die Raketenklemme behutsam über
das spitz zulaufende Heck der Bombe gestülpt. Er atmet tief durch. Dann macht
er eine kurze Bewegung, die der Kripo-Mann kaum erkennen kann. Ein kleiner,
scharfer Knall, wie ein Pistolenschuss. Unwillkürlich hält Stave den Atem an,
drückt den Kopf zum Boden, presst sich die Hände schützend auf die Ohren.
Nichts.
Ganz langsam atmet der Oberinspektor aus. Er spürt, dass er zittert.
Schweiß rinnt in seine Augen.
»Gut«, sagt der Feuerwerker, der bei ihnen ist. Er steht bereits und
streckt seine Beine. Dann winkt er durch das Mauerloch ins Innere. »Der Zünder
ist draußen. Jetzt ist die Bombe nur noch ein großes Stahlrohr mit ein paar
Chemikalien darin. Nicht direkt ungefährlich.« Er deutet auf Czrisini. »Auf die
Zigarette müssen Sie drinnen leider verzichten. Wäre doch schade, wenn jetzt
noch ein Funke durch das offene Zündergewinde bis ins Bombeninnere fallen
würde.«
Der Pathologe sieht unglücklich drein und unter seinem Sonnenbrand
noch etwas blasser als zuvor, raucht aber in drei tiefen Zügen die Woodbine bis
auf seine Fingerkuppen hinunter und drückt sie dann sorgfältig aus.
Stave klopft sich den Staub ab. »Sehen wir uns die Leiche an.«
Der Oberinspektor massiert sein linkes Bein, tut so, als
sei es vom langen Kauern eingeschlafen. Dann denken sich die Kollegen nichts
dabei, wenn er bis zur Bombe hinkt – er schämt sich dieser Verletzung aus dem
Feuersturm von 1943, ohne dass er dafür die Gründe benennen könnte.
Er schüttelt dem Feuerwerker die Hand, der sich als Walter Mai
vorstellt. Ein hagerer Mann mit Brille, spärlichem Haarwuchs und
undefinierbarem Alter. Könnte Mitte dreißig sein oder Anfang sechzig.
»Sie haben nicht einmal feuchte Hände«, entfährt es Stave.
»Mir macht diese Hitze nichts aus«, versichert Mai treuherzig. Ein
dünnes Lächeln. »Ich liebe diese Arbeit. Ein toter Junge lenkt einen allerdings
schon ab, und das habe ich gar nicht gern.« Dann wird Mai ernst und tippt zum
Abschied mit zwei Fingern an seinen Mützenschirm. »Wäre Ihnen verbunden, wenn
Sie mir bei Gelegenheit sagen, wer dieser Bengel war – und wer ihn so
zugerichtet hat.«
»Sie hören von mir. Wird allerdings länger dauern, als eine Bombe zu
entschärfen.«
»Ist ja auch komplizierter«, antwortet der Feuerwerker ohne jede
Spur von Ironie in der Stimme. Dann nickt er seinem Kollegen zu und
verschwindet mit ihm aus dem Gebäude.
Die Beamten betreten die Lagerhalle, gehen nur wenige Schritte,
lassen Kienle allein bis zur Leiche voranschreiten. Der macht seine Bilder, bei
jedem Blitz aus der Fotolampe zuckt Stave nervös zusammen. Dann bestreicht
Kienle einige Stellen mit Puder, auf der Suche nach Fingerabdrücken. Missmutig
schüttelt er den Kopf. Kein Erfolg. Zuletzt schießt er noch Fotos vom staubigen
Betonboden ringsum. Dann winkt er die Kollegen heran.
Kienle deutet auf den gräulichen Staub, der wie ein Teppich den
Boden rund um den Blindgänger bedeckt. »Hier war wirklich lange niemand mehr.
Das sind die Schritte des Feuerwerkers«, er deutet auf die Spuren, welche
kreisförmig um die Bombe verlaufen.
»Das hätte ich auch ohne Nachhilfe erkannt«, brummt Stave.
Kienle lächelt nachsichtig. »Von dort sind der Junge und sein Mörder
hergekommen«, er weist auf Trittspuren, die von der Bombe bis zu einer
rückseitigen, kleinen Tür führen, die der Kripo-Mann zuvor nicht einmal bemerkt
hat – vielleicht einem alten Notausgang. »Zwei Arten Fußabdrücke.«
»Nur ein Mörder«, überlegt Stave laut. »Die kleineren Abdrücke sind
deutlich zu erkennen. Wir werden das überprüfen, aber ich bin mir sicher, dass
sie von dem Jungen stammen.« Er deutet auf dessen Leinenschuhe, ein altes, doch
gut erhaltenes Paar kleiner Herrenschuhe, wie sie vor zehn Jahren modern gewesen
sind.
»Die anderen Abdrücke sind leider ziemlich verwischt. Von der Tür
bis zur Bombe ist kaum etwas zu erkennen. Und hier hat der Feuerwerker viel
zertrampelt. Seine Tasche hat er auch noch auf die Abdrücke gestellt.«
»Er hatte andere Sorgen.«
»Wird jedenfalls schwer sein, die Spuren genauer zu analysieren.«
»Aber sie sind größer.«
Kienle nickt. »Ein Mann, würde ich sagen. Wirkt nicht so, als kämen
die Spuren von zwei oder gar noch mehr Personen. An den Wänden
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