Schieber
wie
strammstehende Soldaten, das Schienengewirr der qualmenden Schmalspurbahnen,
die Kessel, Geschützrohre und Stahlschotts zu den Docks schleppten. Früher
zumindest.
In den Docks von Blohm & Voss wuchs erst wenige Jahre zuvor das
Schlachtschiff »Bismarck« heran. Von hier glitt fast die Hälfte aller deutschen
U-Boote zum ersten Mal ins Wasser – fünfzehn beinahe fertiggestellte Rümpfe
kann er immer noch erkennen. Sechzig, siebzig Meter lange Röhren aus grauem
Stahl, schlanke Türme, die geschlossenen Klappen der Torpedorohre im Bug,
Steuerruder, die golden glänzenden Schrauben am Heck – manche Boote so neu, als
könnten sie sofort auf Feindfahrt gehen, andere schon halb versunken im Becken,
wie gestrandete Wale. Bei zwei oder drei Wracks wirkt es so, als seien sie noch
auf der Werft von einem Giganten zu Tode geprügelt worden. Immer und immer
wieder haben Engländer und Amerikaner Blohm & Voss bombardiert.
Stave blickt auf Schuttberge, Hunderte Meter in allen Richtungen,
halb umgerissene Ziegelmauern, abgeknickte Schornsteine, auf die 200, 300 Meter
langen Docks, deren Wände aufgesprengt sind, auf einstmals in fürchterlicher
Hitze zerschmolzenes Metall, Brombeeren und Sauerampfer, die nun aus
aufgeplatztem Kopfsteinpflaster wuchern, die Spundwände am Ufer, deren rissiger
Beton von Mänteln aus Grünspan überzogen ist, die Elbe, die jenseits des
letzten Docks grau und schnell dahinströmt. Und dahinter auf Ruinen und noch
mehr Ruinen und noch mehr, und nur der Turm des Michels ragt aus dem Hitzedunst
wie ein riesiges Grabmonument.
Bis vor wenigen Jahren wehte das Klopfen der Niethämmer über die
Elbe und war noch als eine Art Rauschen in den Räumen der Kripo-Zentrale zu
hören. So gleichmäßig und selbstverständlich wie das Gurgeln eines Wasserfalls:
Irgendwann nahm man den Lärm gar nicht mehr wahr.
Nun ist es beinahe still. Keine Schiffe in den Docks, kein
Funkenregen von Schweißgeräten oder Eisensägen. Nur am anderen Ende ein Kran
auf Schienen, der ruckelnd und kreischend einen zusammengepressten Stahlträger
aus den Trümmern eines Gebäudes zieht und auf eine Schute hinunterschwenkt, die
in der Elbe dümpelt. Schrott, der irgendwo eingeschmolzen wird.
Ein Feuerwehrmann kriecht bis zu den kauernden Polizisten
heran, ein Kollege des Spezialisten in der Halle.
»Wie lange wird er brauchen?«, fragt Stave. Ihm fällt auf, dass er
seine Stimme gesenkt hat, als könnte schon ein energisches Wort den Blindgänger
hochgehen lassen.
Auch der Feuerwehrmann spricht gedämpft. »Schwer zu sagen. Kommt auf
den Zünder an und auf dessen Zustand. Von den Bomben selbst haben wir schon
Hunderte gesehen. Die meisten haben einen normalen Zünder, also einen, der den
Sprengsatz explodieren lassen sollte, sobald die Bombe eingeschlagen ist.
Manchmal klemmen diese Dinger – weil sie beim ersten Aufprall auf ein Dach
schon beschädigt wurden oder weil sie von Anfang an falsch eingeschraubt worden
sind. Das kriegen wir relativ schnell hin. Einige von diesen Biestern haben
aber Langzeitzünder, die eigentlich erst nach Stunden oder Tagen auslösen
sollten.«
Stave nickt. Er erinnert sich daran, wie lange nach den
schrecklichen Bombennächten plötzlich irgendwo mit gewaltigem Krachen Bomben im
Trümmermeer hochgingen. Amerikaner und Engländer hatten manche absichtlich so
eingestellt, um die Aufräumarbeiten zu erschweren – einer der Gründe dafür,
warum Gauleiter Karl Kaufmann befohlen hatte, Häftlinge aus dem KZ Neuengamme
zum Aufräumen in die Ruinen zu schicken. Zwei- oder dreimal war er
dabeigewesen, um Sträflinge zu bewachen.
»Solche Zünder«, fährt der Feuerwehrmann fort, »funktionieren oft
nicht. Von außen sehen sie zwar unbeschädigt aus. Aber die kleinste
Unachtsamkeit, schon eine winzige Erschütterung, und so ein Blindgänger fliegt
uns um die Ohren.«
»Reicht dafür schon die Erschütterung durch menschliche Schritte
aus?«, fragt der Oberinspektor.
Der Feuerwehrmann lächelt. »Manchmal ja, in diesem Fall wohl nicht.
Das hat mein Kollege schon erfolgreich getestet.«
»Berufsrisiko«, murmelt Stave.
»Wir erhalten Schwerarbeiterzulage auf unsere Lebensmittelkarten.«
»Ein gerechter Ausgleich.« Der Kripobeamte blickt sich um und sieht,
etwa fünfzig Meter entfernt, eine Gruppe missmutig blickender Arbeiter, die zu
ihnen hinüberstarren. Dann wendet er sich wieder an die Gestalt, die neben ihm
kauert.
»Wie lange wird Ihr Kollege bei der Bombe hocken?«
Der Feuerwehrmann
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