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Schieber

Schieber

Titel: Schieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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deutet auf den Dachstuhl, der an der Seite
eingeschlagen ist, direkt dort, wo er auf einer Wand liegt. »Da ist die Bombe
hindurchgekracht«, erklärt er. »Wir nennen das ›Mauerschlag‹: Die Bombe trifft
die Mauer, gerät ins Trudeln und schlägt schließlich in so einem schrägen
Winkel auf, dass der Zünder nicht richtig losgeht. Komplizierte Sache. Eine
Stunde wird mein Kollege dafür noch brauchen, mindestens.«
    »Bleiben Sie hier«, befiehlt Stave daraufhin den Schupos, die wenig
begeistert nicken. »Doktor Czrisini, kommen Sie bitte mit. Und Sie auch,
Kienle, kann ja nicht schaden. Nutzen wir die Zeit und stellen den Arbeitern
schon ein paar Fragen. Die sehen so aus, als könnten sie es kaum noch erwarten,
uns zu helfen.«
    »Die sehen aus, als wäre es in ihrer Nähe gefährlicher als neben
diesem Blindgänger«, erwidert der Pathologe, doch zwingt er ächzend seinen
korpulenten Körper in die Höhe und folgt den beiden Kripobeamten.
    Fünf Männer blicken Stave und seine Begleiter feindselig
an: dunkle Joppen, darunter kragenlose blau-weiß-gestreifte Hemden, Cordhosen,
Schirmmützen, Hände wie Baggerschaufeln. Der Oberinspektor stellt sich vor,
zückt seinen gelben Polizeiausweis, reicht englische Zigaretten herum: John
Players, auf der Packung prangt ein Matrose in einem Rettungsring.
    Überraschung, Zögern, dann greifen die Fünf zu, mit Lauten, die man
bei gutem Willen als Dankesworte interpretieren könnte. Stave, der nie raucht,
hat seit einiger Zeit stets Zigaretten übrig. Früher hat er sie am Bahnhof
eingetauscht, wenn er heimkehrende Kriegsgefangene nach seinem verschollenen
Sohn befragt hat. Seit er weiß, dass Karl im sowjetischen Lager Workuta sitzt,
muss er das nicht mehr tun. Die Zigaretten helfen nun dabei, Verhöre
geschmeidiger zu machen.
    Czrisini steckt sich ebenfalls eine neue Woodbine zwischen die
Lippen. Für ein paar Augenblicke schweigen alle Männer, dünne blaue Rauchfahnen
kräuseln sich zwischen geborstenen Ziegelwänden. Der beruhigende süßliche Duft
von Orienttabak zwischen dem Geruch nach Ziegeln und altem Schmieröl. Die Luft
flirrt in der Hitze, aus der Elbe steigt Gestank nach Müll und toten Fischen
hoch. Stave hätte gerne ein Glas Wasser getrunken.
    »Wer von Ihnen hat den Jungen gefunden?«, fragt der Kripobeamte
schließlich.
    Der älteste Arbeiter aus der Runde – der Oberinspektor schätzt ihn
schon auf sechzig oder mehr Jahre – hustet und tritt schweigend einen Schritt
vor.
    »Ihr Name?«
    »Wilhelm Speck.«
    Der Arbeiter ist dünn und hart wie eine Räucherwurst. Möchte nicht
wissen, wie oft der sich schon Witze über seinen Namen anhören musste, sagt
sich Stave.
    »Sie haben bei uns angerufen?«
    »Nein, das war unser Prokurist.« Speck deutet auf ein würfelförmiges
Gebäude aus braunrotem Backstein, ein paar Hundert Meter entfernt. Die
Verwaltung, vermutet der Kripobeamte.
    »Wir haben die Bombe«, der Arbeiter zögert, fährt dann fort, »und
den toten Jungen gefunden. Kurz nach Schichtbeginn. Wir sind ins Büro
gelaufen.«
    »Seit wann arbeiten Sie bei Blohm & Voss?«
    Speck blickt ihn überrascht an. »Schon immer.« Er denkt kurz nach.
»Seit 44 Jahren. Wenn man die letzten beiden Jahre denn ›Arbeit‹ nennen will.«
    Seine Kollegen murmeln zustimmend. Auch das klingt irgendwie
bedrohlich.
    »Sie sehen nicht aus, als hätten Sie hier Urlaub gemacht.«
    »Ich gehöre zur Schietgang!«, ruft der Alte stolz.
    Der Oberinspektor blickt ihn verwundert an.
    »Ketelklopper«, erläutert Speck und, als er merkt, dass ihn der
Polizist noch immer nicht versteht, wieder auf Hochdeutsch: »Kesselklopfer. Wir
gehen in die Kessel der Schiffe, die zur Überholung in den Docks liegen, und
klopfen den Schmutz weg.«
    »Klingt nach harter Arbeit – härter als die, die Sie jetzt zu tun
haben.«
    »Arbeit«, entfährt es Speck, »das ist Schiffe bauen oder überholen!
Schweißen, Nieten, Hämmern. Am Anfang hat man ein leeres Dock und am Ende
schwimmt ein Kahn in der Elbe. Das ist Arbeit!«
    »Und jetzt?« Der Oberinspektor weiß, worauf Speck anspielt, aber er
will, dass er es ihm erzählt. Das wird einem Mann, der sonst wohl eher wenig
redet, vielleicht die Zunge für die nächsten Fragen lösen.
    »Jetzt«, fährt der Arbeiter erregt fort, »demontieren wir die Werft.
Die Engländer zwingen uns, unsere eigenen Arbeitsplätze kaputt zu machen!
Zumindest das, was sie mit ihren Bomben nicht schon alles zerschlagen haben.«
    Tatsächlich wird die Riesenwerft

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