Schiffbruch Mit Tiger
letzten Tier. An ein neues Land, ein neues Leben. Die Transaktion sollte nicht nur unserer Menagerie eine glückliche Zukunft sichern, sondern auch die Auswanderung finanzieren, und es sollte noch eine gute Summe übrig bleiben, mit der wir in Kanada neu anfangen konnten (obwohl es, wenn ich heute daran denke, lächerlich wenig war - was lassen wir uns doch vom Mammon blenden!). Wir hätten unsere Tiere auch an indische Zoos verkaufen können, aber die amerikanischen zahlten besser. CITES , die
Convention on International Trade in Endangered
Species, war eben in Kraft getreten, und damit war es mit dem Fangen von Tieren in freier Wildbahn vorbei. Die Zukunft der Zoos lag nun bei anderen Tiergärten. Der Zoo von Pondicherry machte genau im richtigen Augenblick zu. Die Leute rissen sich um unsere Tiere. Am Ende gingen die meisten an den Lincoln Park Zoo in Chicago und den eben erst aufgebauten Tierpark von Minnesota. Aber ein paar sollten auch nach Los Angeles, Louisville, Oklahoma City und Cincinnati.
Und zwei kamen in den Kanada-Zoo. So sahen jedenfalls Ravi und ich es. Wir wollten nicht fort. Wir wollten nicht in ein Land, über das ständig Stürme fegten und in dem im Winter astronomische Minusgrade herrschten. Keiner hatte je von einer kanadischen Cricketmannschaft gehört. Allerdings hatten wir Zeit, uns an den Gedanken zu gewöhnen, denn die Vorbereitungen dauerten über ein Jahr. Nicht für uns, meine ich. Für die Tiere. Wenn man bedenkt, dass Tiere ja weder Kleider noch Schuhe haben, keine Möbel, keine Bettwäsche, kein Geschirr, keine Toilettenartikel, dass ihnen die Nationalität nichts bedeutet, dass sie sich den Teufel um Pässe, Geld, Arbeitserlaubnis, Schulen, Mieten, Krankenhäuser kümmern - wenn man also, kurz gesagt, bedenkt, wie leicht ihr Leben ist, dann ist es schon erstaunlich, wie schwierig es ist, sie an einen anderen Ort zu bringen. Mit einem Zoo umziehen, das ist, als wolle man mit einer ganzen Stadt umziehen.
Der Verwaltungsaufwand war kolossal. Literweise Wasser wurde allein für das Anfeuchten von Briefmarken gebraucht. Sehr geehrter Mister So-undso Hunderte von Malen geschrieben. Man machte Angebote. Hörte Seufzer. Brachte Zweifel zum Ausdruck. Nörgelte. Legte Entscheidungen an höherer Stelle vor. Einigte sich über Preise. Besiegelte per Handschlag. Unterzeichnete auf der gestrichelten Linie. Gratulierte. Brauchte Herkunftsnachweise. Brauchte Gesundheitszeugnisse. Brauchte Exportgenehmigungen. Brauchte Importgenehmigungen. Holte Auskünfte über Quarantänebestimmungen ein. Organisierte den Transport. Gab ein Vermögen für Telefongespräche aus. Es ist ein alter Witz im Zoogewerbe, dass der Papierberg, der notwendig ist, um eine Spitzmaus zu verschicken, größer ist als ein Elefant, der Berg für einen Elefanten größer als ein Wal und dass man niemals, unter keinen Umständen, einen Wal verschicken darf. Manchmal hatte ich das Gefühl, die kleinlichen Bürokraten stünden Schlange von Pondicherry über Delhi und Washington bis nach Minneapolis, jeder mit seinem Formular, seinem Einwand, seiner Verzögerung. Hätten wir die Tiere auf den Mond schicken wollen, hätte es wohl kaum schwieriger sein können. Vater raufte sich die Haare, bis er fast keine mehr auf dem Kopf hatte, und ein paar Mal hätte er die ganze Sache beinahe doch noch abgeblasen.
Manches überraschte uns. Die meisten Vögel und Reptilien, unsere Lemuren, Nashörner, Orang-Utans, Mandrills, Löwenschwanzmakaken, Giraffen, Ameisenbären, Tiger, Leoparden, Geparden, Hyänen, Zebras, Himalaja- und Faulbären, die indischen Elefanten, die Bergziegen und so weiter waren rasch vergeben, doch andere, Elfie zum Beispiel, ernteten nur ein Schulterzucken. »Eine Augenoperation!«, rief Vater und wedelte mit dem Brief. »Sie nehmen sie, wenn wir den grauen Star am rechten Auge operieren lassen! An einem Nilpferd! Was kommt als Nächstes? Nasenkorrektur beim Rhinozeros?« Manche unserer Tiere galten als »nicht selten genug«, die Löwen und Paviane zum Beispiel. Vater hatte sie weise gegen einen zusätzlichen Orang-Utan aus dem Zoo von Mysore und einen Schimpansen aus Manila getauscht. (Und Elfie verbrachte ihren Lebensabend im Zoo von Trivandrum.) Einer unserer Abnehmer bestellte für den Kinderzoo eine »echte heilige Kuh«. Vater ging hinaus in den städtischen Dschungel von Pondicherry und kaufte eine Kuh mit feuchten dunklen Augen, einem ordentlichen dicken Bauch und Hörnern so gerade und rechtwinklig, dass man
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