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Schiffbruch und Glücksfall

Schiffbruch und Glücksfall

Titel: Schiffbruch und Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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durch grasbewachsene Dünen und an Artischocken-Feldern vorbei. Links von ihnen schäumte die Flut an die rundgewaschenen Felsen der
Côte des Naufrages
, Möwen landeten mit Kreischen und Flügelschlagen auf ihren Spitzen, auf dem schmalen Sandstreifen lagen einige Sonnenhungrige – weit genug auseinander, um sich nicht auf die Füße zu treten. Auf dem Campingplatz standen einige Wohnmobile in den säuberlich mit Hecken abgeteilten Parzellen. Der Duft von Gegrilltem wehte sie an. Und vor ihnen ragte der Leuchtturm auf.
    Kelda, die vorangegangen war, hielt an und drehte sich zu Simon um.
    »Ist dir eigentlich klar, dass das hier dein geheimnisvolles Ponte Valles sein könnte?«
    »Ja, ich weiß, dass er Phare de Pontusval heißt«, meinte er. »Und das ist auch der Grund, warum ich vormals meine Suche auf diese Ecke hier konzentriert habe. Auch wenn der Name nur ähnlich klingt.«
    Ein Wegweiser, wie üblich ein hölzerner Pfeil mit der Kennzeichnung des Wanderwegs, wies sie an, ein Stück landeinwärts zu gehen, um zur Chapelle Pol zu gelangen.
    Die kleine Kapelle, ein Steinhäuschen nur mit einem Glockentürmchen, lag zwischen mächtigen Granitblöcken. Auch hier wieder wuchsen inmitten der grauen Steine allerlei blühende Sträucher und Blumen. Auf dem ordentlich geschnittenen grünen Rasen stand eine Tafel, die davon berichtete, dass man glaubte, diese großen Felsen seien von Saint Pol persönlich angeschleppt worden. Kelda bezweifelte es laut und deutlich. Simon war mit den bretonischenGeschichten durch Yves und vor allem Xavier vertraut und erklärte, dass Sankt Paul Aurelian, ein walisischer Mönch, mit dem Schiff im sechsten Jahrhundert hier gelandet sei und dann eifrig Klöster und Kirchen gegründet habe.
    »Fleißig, der gute Heilige«, meinte Kelda. »Doch was diese kleine Kapelle besonders auszeichnet, so habe ich aus meinen Informanten herausbekommen, ist ihre Wunderwirksamkeit hinsichtlich des Auffindens Schiffbrüchiger.«
    »Wer sind deine geheimnisvollen Informanten?«
    »Die vier Veteranen, die sich mittags oft bei uns einfinden. Sie sind nicht nur Schwatzbasen, sondern auch unergründliche Quellen für allerlei Wissenswertes. Sie versicherten mir, dass die Leiche eines vermissten Seemanns auftauchen würde, wenn man für ihn dort drei Tage lang die Messe lesen lässt.«
    »Eine Vorhersage, die eine gute Kenntnis der Strömung und der Tide voraussetzt.«
    »Und weniger die Hand des heiligen Saint Pol.«
    »Aber so entsteht eben Wunderglaube. Auch ich habe meinen Gewährsmann in bretonischer Geschichte befragt. Er versicherte mir, dass es in der Kapelle auch gespukt haben soll.«
    »Wie romantisch!«
    Simon schmunzelte. Xavier kannte zu jedem Gemäuer irgendeine Spukgeschichte. »Und ein Schiffbrüchiger spielt natürlich darin auch eine Rolle.«
    »Erzähl!«
    »Eigentlich passt sie nicht in den hellen Sonnenschein. Ich werde sie dir dort auf der Bank mit dumpfer Stimme erzählen.«
    »O schön, mich schaudert es jetzt schon.«
    Im Schatten der Felsen stand eine schmale Holzbank, auf der sie Platz nahmen, und Simon begann seine Mär.
    »Ein heimkehrender Seemann war in ein furchtbares Gewitter geraten und mit knapper Not dem Untergang entgangen. Er rettete sich an Land und suchte Unterschlupf vor dem Unwetter in der Kapelle, um die Nacht dort zu verbringen. Kurz bevor er einschlief, hörte er die kleine Glocke zwölf Mal zur Mitternacht schlagen. Verblüfft sah er, dass die Kerzen auf dem Altar sich entzündeten und ein Priester erschien. Entsetzt verkroch sich der Seemann in eine Ecke. Der Priester bemerkte ihn nicht, sondern begann, die Messe zu zelebrieren. Er begann sie mit den Worten: ›Introibo ad altare Dei …‹, auf die normalerweise die Gemeinde antwortete. Doch der verschreckte Seemann hatte kaum Luft zum Atmen, also wiederholte der Priester diese Worte wieder und wieder, bis die Kerzen erloschen. Damit verschwand er.
    Der Seemann zögerte lange, bis er den Mut fand, über diese Erscheinung zu sprechen, denn er vermutete, dass man ihn für verrückt hielt. Schließlich vertraute er sich dem Pfarrer von Plounéour-Trez an, der ihm den Rat gab, eine weitere Nacht in der Kapelle zu verbringen. Er sagte ihm auch die richtige Antwort auf die Worte, die der Priester gesprochen hatte.
    Ein Jahr später, am Jahrestag seines Schiffbruchs, nahm der Seemann allen seinen Mut zusammen und kehrte nachts zur Kapelle zurück.
    Wieder entzündeten sich nach dem zwölften Glockenschlag die

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