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Schiffbruch und Glücksfall

Schiffbruch und Glücksfall

Titel: Schiffbruch und Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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ganz sicher. Weshalb er schüchtern war und zum Erröten neigte. Und sich in seine Traumwelten zurückgezogen hatte. Er vermisste damals noch immer seinen Großvater, den einzigen Mann in seiner Familie, der ihn ernst genommen hatte. Seine Mutter hatte sich scheiden lassen, als er gerade zur Schule ging, und die darauf folgenden Kandidaten für eine Vollzeit-Vaterstelle fanden ihren Beifall langfristig nicht. Sie war okay, seine Mutter. Sie kamen gut miteinander aus, hielten freundschaftlichen Kontakt zueinander. Bernice jedoch hatte sie auseinandergebracht. Auch eine dieser vielen Kleinigkeiten, die ihm sein Leben vergällt hatten.
    Aber darüber wollte er nicht mehr nachsinnen.
    Kelda war eines Tages plötzlich kein Giggelhuhn mehr, sondern eine schöne junge Frau, hinter der die Hälfte seinerKlassenkameraden her hechelte. Er hechelte mit – ganz am Ende der Meute. Sie hielt Hof, vergab ihre Gunst hier und da, blieb unerreichbar für ihn. Dummerweise nicht für seinen besten Freund.
    Simon stellte die Dusche auf kalt und versuchte mit dem Schaudern die Erinnerung daran zu löschen. Es gelang ihm, und als er sich anzog, hatte Luc le Gamache seine Gedanken wieder gefangen genommen. Mit einem Mal war dieser drängende Wunsch wieder da, Licht in seine Herkunft zu bringen. Vielleicht sogar herauszufinden, was damals bei jenem Schiffbruch geschehen war. Wer hatte seinen Urgroßvater umgebracht und warum?
    Er hatte den Ordner mit den Unterlagen, die er einst zusammengetragen hatte, irgendwo in seinen Kisten aufgehoben. Es war an der Zeit, ihn wieder auszugraben und noch einmal von vorne anzufangen.
    Gerade als er in den Tiefen seines Abstellraumes fündig geworden war, klingelte sein Handy.
    »Hi, Simon, hast du Lust auf einen sonntäglichen Kirchenbesuch?«, fragte Kelda.
    Irritiert zwinkerte er. Er brachte ein »Ähm« zustande, und Kelda kicherte.
    »Keine Panik, du musst nicht in Anzug und Krawatte antreten. Ich wollte am Nachmittag in der Chapelle Pol nach Schiffbrüchigen suchen. Deine Geschichte hat mich ziemlich neugierig gemacht, weißt du.«
    »Und du meinst, der Geist von Lucs Vater wird dir dort begegnen?«
    »Vielleicht. Nein, es hat etwas mit dem Ambiente zu tun. Aber du musst nicht mitkommen, wenn du etwas anderes zu tun hast.«
    »Habe ich nicht. Die Idee ist nicht schlecht. Ich habe gerade meine alten Aufzeichnungen wieder ausgegraben. Ambiente – mag sein, dass es hilft.«
    »Fein. Holst du mich ab?«
    Er sagte zu, und um drei stand er am
Marée bleue
, von wo aus sie zu Fuß aufbrachen, die kleine Kapelle zu besuchen. Kelda, in kurzen Hosen und sonnengelbem Top, zeigte braungebrannte Beine und Schultern, und mit einiger Genugtuung registrierte er, dass sie, bevor sie ihre Sonnenbrille auf die Nase setzte, ihn mit einem neugierigen Blick musterte. Er war nicht mehr der magere Junge von einst, das war ihm sehr wohl bewusst. Sein ärmelloses Shirt mochte ihr beweisen, dass er schwere körperliche Arbeit nicht scheute, und die hellen Strähnen in seinen braunen Haaren, dass er dabei auf jegliche Kopfbedeckung verzichtete.
    Er verbarg seine Augen ebenfalls hinter einer Sonnenbrille und setzte sich neben ihr in Bewegung. Seine kurze Verlegenheit vom gestrigen Tag war vergessen, er erzählte ihr, während sie auf dem schmalen Küstenpfad Richtung Leuchtturm gingen, von der Villa in Keremma, die er am Vormittag besucht hatte, um mit dem Verwalter die gewünschten baulichen Veränderungen zu besprechen.
    »Du musst dir diese Anwesen mal ansehen, Kelda. Man hat sich da allenthalben kleine Burgen gegönnt, verwinkelte Bauten mit Türmchen und Erkern, in grauem Granit gebaut. Sie liegen alle in großen, parkähnlichen Grundstücken mit uraltem Baumbestand. Einst Sommerhäuser für die Städter, heute kaum zu halten.«
    »Außer von den Reichen und Schönen.«
    »Von denen, die es sich leisten können, die maroden Leitungen zu sanieren und vernünftige Medienanschlüsse legen zu lassen. Es ist erstaunlich, mit wie wenig komfortabler Technik man hier so lange ausgekommen ist.«
    »Mich schaudert es regelmäßig, wenn ich die Stromkabel und Telefonleitungen sehe, die sich in wirren Girlanden zwischen den Häusern ranken«, sagte Kelda.
    »Mich auch, das kannst du mir glauben.«
    Dann wurde der Weg so schmal, dass sie nur noch hintereinander gehen konnten. Es führten ausgetretene Pfade – von Wanderern, früher von der Küstenwache, die nach Schmugglern Ausschau hielten – die gesamte Küste entlang. Sie kamen

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