Schiffe versenken
geht es ihm nicht um Grausamkeit an sich – er veranstaltet mehr eine Art Experiment mit der menschlichen Psyche. Das hat er auch auf der Yacht so gehalten – mit Spielen, die auf Entscheidungen zwischen Eigennutz und Allgemeinwohl hinausliefen. Und die ganze Chose hing von einem Mann ab, dessen Leben sich aufgrund einer solchen Entscheidung vom Guten zum Bösen wenden konnte. Das ist typisch für Janac, ebenso wie sein persönlicher Ehrenkodex, der die Freilassung der Überlebenden genau wie die Qualen des russischen Roulettes fordert.«
Jetzt wurde Hamnet auf seinem Stuhl unruhig. »Dubre meint, dass Sie etwas über seinen aktuellen Aufenthaltsort wissen und auch sonst über neueste Informationen verfügen.«
»Ja«, Naisborough dehnte das Wort ins Unendliche. »Aber das spielt hier keine Rolle. Ich spreche nur mit Ihnen, weil ich Mr. Dubre noch einen großen Gefallen schulde. Sie verstehen?«
»Ich verstehe.«
»Ich werde Ihnen also ein paar Hintergrundinformationen liefern. Dies ist der Kriegsschauplatz.« Seine Hand umriss eine farbig gezeichnete Zone auf der Karte, die an der Wand hing, und die darauf verstreuten Markierungen. »Gerade jetzt ist wieder mal alles im Fluss. Es tut sich eine Menge in diesem harten Rivalitätskampf im Opiumgeschäft, und der einzig stabile Faktor in dieser verdammten Branche sind die Chinesen. Die Truppen im Goldenen Dreieck, die Nachschubrouten und die Verteilerorganisationen werden alle von den Chinesen kontrolliert. Aber das Ganze ist nicht mit der Organisation der Mafia oder der kolumbianischen Drogenkartelle vergleichbar, wo strenge Hierarchien und viele Zwischeninstanzen die multinationale Struktur bestimmen. Hier handelt es sich mehr um eine riesige Gruppe von kleinen Einzelkämpfergrüppchen, die sich für gewisse Einzeloperationen zusammenschließen und danach wieder auflösen, je nach den Erfordernissen an Kapital, Männern und Logistik.« Naisborough lehnte sich vor und stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch, während er sich warmredete. Der Drachen bewegte sich. »Das Ganze funktioniert nach modernen Managementmethoden – flexibel und immer an den aktuellen Erfordernissen orientiert –, aber natürlich müssen die einzelnen Abteilungen von der Leitung streng geführt werden. Wer einmal mitgemacht hat, gehört für immer dazu. Für das Geld hat man immer das Verlangte zu liefern. Sie nennen es Guanxi – ein Netz aus Verpflichtungen und nie endender Haftung, aus Gefälligkeiten und Forderungen. Nun ist Janac natürlich kein Chinese. Und dass er dem chinesischen System nicht genügend Respekt gezollt hat, hat ihn in seine jetzige Lage gebracht. Aber ich greife den Dingen vor.« Er dachte einen Augenblick nach, ehe er fortfuhr: »Ursprünglich hatte die CIA Janac in den 1970er-Jahren im Kampf gegen die aufständischen Truppen nach Laos geschickt. Insbesondere die Kuomintang – die chinesische Armee war von Mao entmachtet worden – wurden als Bollwerk gegen den sich ausbreitenden Kommunismus von der CIA unterstützt und finanziert, doch anstatt China wieder in den Griff zu nehmen, nutzten sie die Waffen der CIA, um einen gewaltigen Opiumexport auf die Beine zu stellen. Janac nahm Verbindung zu dem früheren Kuomintang-General Lee auf, und die beiden wurden gute Freunde – sie kontrollierten den Opiumanbau, die Labors und die Nachschubwege. Im richtigen Moment machte sich Janac dann selbstständig, baute zusammen mit ein paar Kumpels, die er aus Vietnam kannte, den Markt in Australien auf und brachte Schwung in den Laden, indem er von Zeit zu Zeit kleine Stückchen aus der Organisation herausbrach. So wurde er zeitweilig Australiens größter Importeur.
Meine Kontaktleute in Sydney haben mir gesteckt, dass sich jetzt die Lage ändert. Er wird von chinesischen Rauschgifthändlern von der Straße verdrängt – und zwar mit Genehmigung der Bosse in Hongkong. Außerdem hat ihn vor einem Jahr auch jemand in Thailand in den Schwitzkasten genommen, der vermutlich zu den Triaden in Hongkong gehört. Seine Schutzorganisationen brachen weg, und er verschwand aus seiner Festung nach Ko Samui, einer Insel im Golf von Thailand, und zwar kurz bevor unsere Jungs dort unten ihn schnappen wollten. Sechs Monate lang blieb er verschwunden, ehe er plötzlich wieder auftauchte.
Für jemanden wie Janac war das eine lange Zeit. Wenn ich sage, dass er dem chinesischen System nicht genügend Respekt gezollt hat, meine ich, dass man ohne die Chinesen nicht im Heroingeschäft Fuß
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