Schiffsdiebe
sie noch einige Stunden lang Kupfer sammeln mussten, bevor das Unwetter ausbrach … und er würde noch Stunden warten müssen, selbst wenn Pima wusste, wo er war und dass er Hilfe brauchte.
Mit einer glitschigen Hand und den Zähnen gelang es ihm, die Plastikflasche aufzubekommen und etwas zu trinken, während er sich an der Wand festhielt. Erst gurgelte er nur und spuckte sofort aus, um den Ölgeschmack loszuwerden. Dann trank er, schnell und gierig. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, wie viel Durst er hatte. Als die Flasche leer war, ließ er sie davontreiben. Falls er starb, wäre das alles, was von ihm übrig bleiben würde.
Von oben hallte ein Scharren zu ihm herab, ein Kratzen und Reißen.
» Sloth?«
Das Geräusch verstummte und war kurz darauf wieder zu hören.
»Komm schon, Sloth. Hilf mir endlich!«
Er wusste nicht, warum er sich überhaupt bemühte. Sie hatte ihre Entscheidung gefällt. Für sie war er bereits so gut wie tot. Er lauschte, während sie den Rest der Leitungen von den Wänden riss. Seine Finger wurden allmählich müde. Das Öl stieg ihm langsam bis zum Kinn. Himmel, er war einfach fertig. Ob Jackson wohl auch von seiner Kolonne verraten worden war? War der Läusefresser deshalb erst ein Jahr später gefunden worden? Vielleicht hatte ihn jemand absichtlich sterben lassen.
Du wirst nicht sterben.
Aber er machte sich nur etwas vor. Er würde ertrinken. Ohne eine Leiter. Ohne eine Tür …
Nailers Herz schlug plötzlich schneller.
Wenn dieser Raum wirklich unabsichtlich mit Öl vollgelaufen war, dann musste es Türen geben. Wahrscheinlich befanden sie sich unter der Oberfläche. Er musste tauchen und riskieren, es nicht mehr bis rauf zu schaffen. Das war gefährlich.
Du ertrinkst so oder so. Sloth rettet dich bestimmt nicht.
Das war nur zu wahr. Er konnte sich noch eine Weile festhalten und immer schwächer und schwächer werden, aber irgendwann würden ihn seine Finger im Stich lassen und er würde abrutschen.
Du bist eh schon tot.
Dieser Gedanke war sonderbar befreiend. Er hatte wirklich nichts zu verlieren.
Nailer glitt langsam die Wand entlang, tastete sich mit den Zehen weiter, auf der Suche nach einer Kante oder einem Sims, der ihm verraten würde, dass sich unter ihm eine Tür befand. Beim ersten Mal fand er nichts, aber beim zweiten Mal ließ er sich ein wenig tiefer sinken, bis das Öl sein Kinn umspülte. Seine Zehen streiften etwas. Er legte den Kopf in den Nacken, bis das Öl ihm über Mund und Nase schwappte.
Ein Sims. Eine Stahlkante.
Nailer fuhr mit den Zehen darüber. Das konnte der obere Rand einer Tür sein. Breiter als ein Meter war die Kante nicht. Der Sims war ein Segen. Fast konnte er sich ausruhen, wenn er sich mit den Zehen daran festklammerte, sodass seine zitternden Finger nicht mehr sein ganzes Gewicht tragen mussten. Der Sims fühlte sich an wie ein Palast.
Jetzt kannst du dich ausruhen, dachte er. Und auf Pima warten. Sloth erzählt ihr bestimmt, dass du hier unten bist. Warte einfach ab.
Aber er machte sich nur etwas vor. Pima würde ihm vielleicht zu Hilfe eilen. Aber wahrscheinlich würde Sloth ihn mit keiner Silbe erwähnen. Er war ganz auf sich allein gestellt. Nailer balancierte auf dem Rand des Simses wie auf Messers Schneide.
Leben oder sterben, dachte er. Leben oder sterben.
Er tauchte ab.
4
In gewisser Hinsicht war das Öl nicht schlimmer als die Finsternis darüber. Nailer überließ seinen Händen die Führung. Er tastete sich am Rand der Tür entlang, sank immer tiefer hinab, sah ihren Umriss vor seinem geistigen Auge.
Seine Finger berührten einen Drehgriff.
Vor Erleichterung machte sein Herz einen Satz. Mit solchen Rädern wurden massive Türen verriegelt, wenn Wasser durch ein Leck ins Schiff drang. Er zerrte an dem Rad, wobei er sich zu erinnern suchte, in welche Richtung er es drehen musste. Es rührte sich nicht. Er kämpfte gegen die Panik an, die ihn zu überwältigen drohte. Versuchte es erneut. Nichts. Es bewegte sich keinen Zentimeter. Und ihm ging die Luft aus!
Nailer stieß sich von dem Rad ab und betete, dass der Schwung genügen würde, um wieder an die Oberfläche zu gelangen. Er schaffte es, schlug wild um sich. Wo war das Rohr, wo war das Rohr? Wie durch ein Wunder bekam er es zu fassen, bevor er wieder unterging. Verzweifelt wischte er sich über das Gesicht, um seine Nase freizubekommen. Die Augen hielt er geschlossen. Dann prustete er die Luft aus dem Mund, um das Öl von seinen Lippen wegzudrücken. Atmete
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