Schiffsdiebe
Kupfer. Deshalb hat er mich losgeschickt. Bevor das Unwetter kommt.«
» Wirf mir nur ein Seil runter.«
» Wir müssen die Quote schaffen.« Ihr leuchtendes Gesicht verschwand. » Pima hat mir ein paar Sachen mitgegeben, für den Fall, dass ich dich finde. Falls du Hilfe brauchst.«
Nailer verzog das Gesicht. » Siehst du irgendwo eine Leiter?«
Wieder eine lange Pause, während sie beide in dem grünlichen Licht die Wände absuchten. Nichts. Keine Leiter. Keine Türen. Nur ein rostiger Raum voll schwarzem Öl.
» Was ist los mit dir?«, fragte Sloth. » Hast du dir was gebrochen?«
Nailer schüttelte den Kopf, bis ihm einfiel, dass sie ihn gar nicht sehen konnte. » Ich schwimme in Öl. Sag Bapi, dass ich bis zum Hals in Öl hocke. Tausende von Gallonen. Es lohnt sich für ihn, mich rauszuholen. Hier hat es eine Menge Öl für ihn.«
Wieder Schweigen.
» Yeah? Wirklich viel?«
Da begriff Nailer, dass Sloth überlegte, was sie für einen Vorteil daraus ziehen konnte.
» Glaub bloß nicht, du könntest es so machen wie Lucky Strike«, rief er hinauf.
» Lucky Strike hat’s geschafft«, erwiderte sie.
» Wir gehören zur selben Kolonne«, sagte Nailer, darum bemüht, sich nicht anhören zu lassen, wie viel Angst er hatte. » Erzähl Pima, dass es hier Öl gibt. Ein geheimer Vorrat. Wenn du das nicht tust, wird mein Geist dich verfolgen wie der von Jackson, und ich werde dir im Schlaf den Bauch aufschlitzen.«
Stille: Sloth dachte nach.
Wie sehr er sie hasste! Das hagere, ausgehungerte Mädchen, das dort oben kauerte, hielt sein Leben in der Hand. Sie konnte ihm helfen oder ihn töten. Sie konnte Bapi sagen, dass es sich für ihn lohnte, Nailer da rauszuholen. Und was tat sie? Nichts! Hockte einfach nur da.
» Sloth?«, rief er.
» Halt die Klappe«, sagte sie. » Ich muss nachdenken.«
» Wir gehören zur selben Kolonne«, erinnerte er sie. » Wir haben einen Blutschwur abgelegt.« Aber er wusste, was ihr durch den Kopf ging, schließlich war sie nicht dumm. Sie wusste, dass dieses Öl großen Reichtum bedeutete – dass sie später zurückkehren und es plündern konnte, wenn die Parzen und der Rostheilige ihr gewogen waren. Am liebsten hätte er sie angeschrien, sie gepackt und zu sich herunter gezerrt. Damit sie wusste, wie es war, in Öl zu ersaufen.
Aber er durfte sie nicht anbrüllen. Er durfte sie nicht wütend machen. Er brauchte sie. Er musste sie überzeugen, dass sie ihm half. » Wir halten es geheim«, schlug er vor. » Gemeinsam schaffen wir, was Lucky Strike geschafft hat.«
Nach kurzem Zögern erwiderte sie: » Du hast doch selbst gesagt, dass du in dem Zeug schwimmst. Wenn sie dich so sehen, wissen sie, was los ist.«
Er zog eine Grimasse. Sie war einfach zu gerissen! Das war das Problem mit Mädchen wie Sloth. Sie waren einfach schlauer, als gut für sie war. » Wir gehören zur selben Kolonne«, sagte er noch einmal, aber es war wohl zwecklos. Er kannte sie zu gut. Er kannte sie alle zu gut. Sie wussten, was Hunger bedeutete. Sie hatten oft genug darüber geredet, was sie tun würden, falls sich ihnen jemals eine solche Chance bot wie Lucky Strike. Genau das ging Sloth jetzt bestimmt auch durch den Kopf. Eine solche Chance bekam man nicht zweimal. Sloth musste es riskieren. Alles oder nichts!
Bitte, flehte er. Lieber Gott, mach, dass sie so gut ist wie Pima. Wie Pima und ihre Mutter. Nicht wie Dad. Bitte, lass sie nicht so sein wie Dad.
Sloth unterbrach seine geflüsterten Gebete. » Pima hat gesagt, ich soll mich um dich kümmern, wenn ich dich finde.«
» Gefunden hast du mich.«
» Yeah. Wohl wahr.« Etwas raschelte. » Hier ist was zu essen. Und Wasser.«
Ein Schatten fiel durch den grünen Schein und klatschte auf das Öl. Nailer konnte etwas auf der Oberfläche schwimmen sehen. Es begann sofort unterzugehen. Er streckte die Hand danach aus, während er sich weiterhin an der Wand festhielt. Bekam eine Wasserflasche zu fassen, bevor sie verschwand. Alles andere war bereits weg. Die Dunkelheit schlug über ihm zusammen – Sloth entfernte sich durch den Schacht.
» Vielen Dank auch!«, rief er ihr hinterher, doch sie war bereits fort.
Er hatte keine Ahnung, ob Sloth Pima erzählen würde, was mit ihm geschehen war, oder ob sie nur möglichst schnell das Kupfer hinter sich herziehen würde, in der Hoffnung, seinen Job zu bekommen und das Öl für sich selbst auszubeuten. Bapi würde sie bestimmt nichts sagen. Denn Bapi würde alles für sich behalten.
Das bedeutete, dass
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