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Schillerhoehe

Schillerhoehe

Titel: Schillerhoehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Schaewen
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sich die Krawatte zurecht.
      »Geht nicht, weißt du doch, Liebste.« Er küsste sie auf den Mund, aber sie wandte sich ab.
      »Geht nicht, geht nicht – du sagst schon seit Mona­ ten das Gleiche. Glaubst du, dass wir so eine Zukunft haben?« Sie schaute ihn gereizt an.
      »Hör mal Gianna, ich kann dir nichts über die Zukunft sagen, ich bin momentan einfach zu voll – ich weiß nur eins: Ich liebe dich, alles Weitere wird sich fügen.«
      Rieker hasste sich für diese Vertröstungen. Natürlich wusste er, dass eine Frau wie Gianna Signorini mit sol­ chen billigen Sätzen nicht zu halten war. Es erschien ihm fast wie ein Wunder, dass sie noch zusammen waren. Aber irgendetwas zog sie beide magnetisch an. Was es war, wollte er, sooft es ging, herausfinden.
      Gianna Signorini empfand viel für ihren Gast, den sie zum ersten Mal in der Zeitung gesehen hatte. Der Marbacher Kurier brachte öfter Berichte über das, was in der Stadt vorging. Auch sie als Hotelbesitzerin musste auf dem Laufenden bleiben. Als der Bürger­ meister sie vor einigen Monaten anrief, hatte sie tatsäch­ lich gedacht, er wolle mir ihr über die von ihr geplante Open­Air­Kulturbühne im Garten des Hotels spre­ chen. Der Abend verlief dann ungewöhnlich heiter. Sie lachten beide viel, und gerne hatte sie in sein Angebot eingewilligt, sich mit dem Vornamen anzureden. Er konnte sogar ein klein wenig Italienisch. Wie charmant er seine geringen Kenntnisse in Szene setzen konnte.
      »Hör zu, Norberto, es ist wahrscheinlich für dich schwieriger als für mich, dieses Doppelspiel durchzu­ halten. Was hältst du davon, wenn wir uns eine Weile nicht sehen?«
      »Unmöglich, ich muss dich sehen.« Er lächelte sie spitzbübisch an.
      Sie mochte sein Lächeln, das sie entfernt an die smarte Nonchalance eines George Clooney erinnerte. Er stand vor dem Spiegel und kämmte seine kräftigen braunen Haare nach hinten. Gianna strich ihm mit dem Handrücken sanft über den Nacken und umarmte ihn von hinten. Sie legte ihren Kopf an seine Schulter. »Wir können so nicht weitermachen, diese Heimlichtuerei tötet unsere Liebe.«
      Er drehte sich um, er wollte lächeln, aber es miss­ lang. »Bitte Gianna, gib mir noch etwas Zeit: Ich kann dir noch nicht sagen, wie wir weitermachen, ich muss viel Rücksicht nehmen: Meine Familie – und hier in der Stadt, du weißt ja, ein Bürgermeister darf sich keine Schwächen erlauben. Ich liebe dich, aber wir müssen unglaublich vorsichtig sein.« Er streichelte ihr Haar: »Verstehst du das?«
      Sie drehte sich von ihm weg: »Das sagst du jetzt schon seit Monaten – ich möchte nicht länger warten. Geh jetzt bitte, und komm erst wieder, wenn du Klar­ heit hast.«
      Norbert Rieker nahm seine Jacke und verließ das Zimmer. Draußen auf dem Flur sah er einige Gäste, die in ihre Zimmer gingen. Da es bereits Mitternacht war, handelte es sich bestimmt um Besucher der Lesung. Er hatte die Begrüßung bei der Literaturveranstaltung übernommen. Eine ideale Gelegenheit, sich nach dem offiziellen Teil abzusetzen. Den Klüngel um die Litera­ tur mochte er überhaupt nicht. Glücklicherweise hatte er vorher und nachher im Keller kaum Stadträte gese­ hen. Er hasste es, um der Präsenz willen sich übermäßig lange an solchen Orten aufhalten zu müssen. Manchmal fragte er sich, ob der Beruf des Bürgermeisters über­ haupt der richtige für ihn war. Gewiss, er kannte sich in den Rechtsfragen hervorragend aus, und er war mit einem fast angeborenen Instinkt für Macht ausgestat­ tet. Eine Sitzung des Gemeinderats so zu lenken, dass am Ende die Ergebnisse stimmten, bereitete ihm über­ haupt keine Probleme. Aber dieser Smalltalk mit den Halbgebildeten der Kleinstadt. Wie oft hatte er das mit Paula schon besprochen. Ihr gefiel jedoch die reizvolle Umgebung. Außerdem wollte sie die Kinder nicht in einer Großstadt aufwachsen lassen.
    Draußen war es dunkel. Norbert Rieker nahm den Weg, der am Schiller­Nationalmuseum auf der dem Neckar zugewandten Seite entlang führte. Nicht alle Laternen am Wegesrand funktionierten. Er würde am Montag Plieske vom Bauamt informieren. Regelmäßig rief er ihn am Montagmorgen an, wenn ihm mal wieder irgend­ etwas auf der Gemarkung aufgefallen war. Der Mann stand kurz vor der Rente. Wollte er aber hier so enden? Mit Mitte 30 hatte er den Zenit seiner Karriere längst noch nicht erreicht. Wenn er noch einmal groß heraus­ kommen wollte, musste er in den nächsten

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