Schindlers Liste
verdarb ihm den Spaß am näheren Umgang; Schindler war weiß der Himmel kein Mönch, aber lieber wäre er einer geworden, als in Gesellschaft von Bosch, Scherner und Göth mit Frauen zu tun zu haben.
Um der kleinen Polin deutlich zu machen, daß er nicht daran denken könne, einem Kameraden das Mädchen abspenstig zu machen, wechselte er an ihr vorbei mit Scherner noch einige Worte über die Kriegslage und küßte ihr dann zum Abschied die Hand. Göth näherte sich bereits in Hemdsärmeln, gestützt auf seine Tischdame, der Treppe nach oben, und Schindler ging ihm nach, um sich zu verabschieden. »Tut mir leid, aber ich muß nach Hause.«
Zuhause bedeutete Ingrid, seine deutsche Geliebte.
Göth sagte: »Und wir gehen jetzt in die Küche, nachsehen, was Lena treibt.«
»Nein«, lachte seine Begleiterin. »Das tun wir nicht.« Und sie zog ihn die Treppe rauf. Die Solidarität der Frauen. Das Mädchen sollte beschützt werden.
Schindler sah den beiden nach, dem schlanken Mädchen und dem schweren Mann, der die Treppe hinauftappte. Man hätte denken sollen, Göth würde bis zum folgenden Mittag durchschlafen, aber Schindler kannte den Kommandanten gut genug, um zu wissen, daß er es fertigbringen würde, um drei Uhr früh aufzustehen, einen Brief an seinen Vater in Wien zu schreiben und um sieben Uhr auf dem Balkon zu stehen, das Gewehr in der Hand, darauf bedacht, saumselige Häftlinge zu erschießen.
Als Göth auf dem Treppenabsatz angelangt war, verdrückte Schindler sich in den rückwärtigen Teil des Hauses.
Pfefferberg und Lisiek hörten den Kommandanten früher heraufkommen, als sie erwartet hatten, hörten ihn das Schlafzimmer betreten und mit der Frau reden, die er heraufgebracht hatte. Lautlos sammelten sie ihr Gerät ein und wollten sich ins Treppenhaus verdrücken, wurden dabei aber von Göth erblickt, der im ersten Moment erschrak, weil er die beiden für Meuchelmörder hielt. Dann machte Lisiek Meldung: »Häftlinge Lisiek und Pfefferberg beim Reinigen der Badewanne, Herr Kommandant.«
»Ah. Unter Mithilfe eines Experten, wie ich sehe. Herkommen.« Lisiek trat heran und erhielt einen Faustschlag ins Gesicht, der ihn halbwegs durchs Zimmer schleuderte. Göth befahl Lisiek wieder zu sich und versetzte ihm einen weiteren Hieb. Pfefferberg, ein erfahrener Häftling, erwartete nun das Schlimmste, nämlich von der ukrainischen Ordonnanz zusammen mit Lisiek im Garten erschossen zu werden. Statt dessen brüllte Göth, sie sollten sich beide rausscheren, was sie prompt taten.
Als Pfefferberg Tage später erfuhr, Lisiek sei tot, von Göth erschossen, nahm er an, es sei dieses Vorfalles wegen geschehen. Das war aber nicht der Fall, vielmehr bestand Lisieks Vergehen darin, ohne Erlaubnis des Kommandanten für Herrn Bosch Pferd und Kutsche bereitgestellt zu haben.
Helena Hirsch (daß Göth sie Lena nannte, schrieb sie seiner Faulheit zu) erblickte einen der Gäste in ihrer Küche, als sie die Fleischabfälle für die Hunde des Kommandanten beiseite tat.
Sie stotterte eine Meldung, weil sie nicht wußte, mit wem sie es zu tun hatte.
Schindler beruhigte sie. »Das können Sie sich bei mir sparen, Fräulein Hirsch.« Er kam um den Tisch herum auf sie zu, und sie fürchtete sich. Göth schlug sie zwar, aber er belästigte sie niemals sexuell, schließlich war sie Jüdin. Andere Deutsche nahmen es in Rassenfragen allerdings nicht so genau wie Göth.
»Sie kennen mich nicht?« fragte Schindler, betroffen wie ein Fußballstar oder ein Virtuose, den es kränkt, daß jemand ihn nicht erkennt. »Mein Name ist Schindler.«
Sie senkte den Kopf. »Selbstverständlich, Herr Direktor… ich habe von Ihnen gehört… Sie waren ja auch früher schon hier…« Er legte den Arm um sie und spürte, wie sie sich verkrampfte, als er ihre Wange küßte. »Mißverstehen Sie das nicht, es ist Mitgefühl …«
Sie konnte die Tränen nicht zurückhalten. Er küßte sie jetzt fest auf die Stirn, wie es bei Begrüßungen und Abschieden unter Slawen üblich ist. »Diesen Kuß bringe ich Ihnen von dort…«, er deutete mit der Hand in die Dunkelheit draußen, wo Menschen in Holzverschlägen übereinander lagen, andere sich in den Wäldern versteckt hielten, Menschen, denen sie gelegentlich als Puffer diente, indem sie die Schläge von Hauptsturmführer Göth erduldete.
Schindler ließ sie los und holte eine Tafel Schokolade aus der Tasche.
»Hier, nehmen Sie.«
»Ich habe genug zu essen.« Offenbar gebot ihr der Stolz, ihm zu
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