Schindlers Liste
brächte ich mich um, aber diese Genugtuung will ich ihnen nicht geben.«
Solche Kränkungen erhöhten seine Anhänglichkeit an die Überlebenden, denn die waren inzwischen seine emotionelle und finanzielle Stütze geworden. Bis zu seinem Tode verbrachte er jedes Jahr einige Monate bei ihnen in Tel Aviv und Jerusalem, wo man ihn achtete und ehrte; in einem rumänischen Restaurant auf der Ben Yehuda Straße in Tel Aviv wurde jederzeit ein Tisch für ihn freigehalten, und das einzige, was er zu erdulden hatte, waren hin und wieder die liebevollen Ermahnungen von Mosche Bejski, er möge sich abends auf drei Gläser Cognac beschränken. Nach einer Weile wechselte er in sein anderes Leben über, das sich in einer beengten Wohnung im Frankfurter Bahnhofsviertel abspielte.
Pfefferberg bat alle überlebenden Schindlerjuden, sie möchten doch mindestens einen Tagelohn jährlich für Oskar Schindler spenden, der »entmutigt, einsam und enttäuscht dahinlebt«.
So führte er denn dieses sonderbar geteilte Leben - das halbe Jahr fidel und munter in Israel, die andere Hälfte relativ zurückgezogen in Frankfurt. An Geld fehlte es ihm immer.
In Israel hatte sich eine Gruppe von Leuten zusammengefunden, zu der auch Stern, Sternberg und Bejski gehörten, die mit der Bitte, Schindler eine Pension zu gewähren, an die westdeutsche Regierung herantrat. Man begründete das mit seiner furchtlosen Haltung während des Krieges, mit dem totalen Verlust seines Vermögens und mit seiner zunehmend gefährdeten Gesundheit.
Die deutsche Regierung reagierte zunächst einmal 1966 mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Schindler, ein Festakt, bei dem auch Adenauer anwesend war. Das Bundesfinanzministerium erklärte sich sodann bereit, mit Wirkung vom 1.Juli 1968 eine monatliche Rente von DM 200 (zweihundert) für Schindler auszuwerfen. Drei Monate später überreichte ihm der Bischof von Limburg den päpstlichen Ritterorden des heiligen Silvester.
Schindler war nach wie vor bereit, der deutschen Justiz bei der Aufspürung von Kriegsverbrechern behilflich zu sein; in dieser Hinsicht blieb er unbeirrbar. 1967 machte er an seinem Geburtstag ausführliche Aussagen über das Wachpersonal des KL Plaszow. Das Protokoll erweist, daß er sich nicht scheute, umfassend, in jedem Fall aber gewissenhaft, Zeugnis abzulegen. Weiß er wenig oder nichts über eine bestimmte Person, so sagt er das deutlich, so über Amthor, Zugsburger, Fräulein Ohnesorge, eine der leicht erregbaren SS-Aufseherinnen.
Bosch hingegen nennt er rundheraus einen Mörder und Ausbeuter und erwähnt, daß er ihn 1946 in München auf dem Bahnhof erkannte und fragte, ob er denn noch ruhig schlafen könne, nach allem, was er in Plaszow verbrochen habe.
Einen Vorarbeiter von den Deutschen Ausrüstungswerken bezeichnet er als »intelligent, aber brutal«. Über Göths Adlatus Grün sagt er, der habe in der Emalia den Gefangenen Lamus erschießen sollen, sich aber durch eine Flasche Wodka davon abbringen lassen. (Das wird durch eine Reihe anderer bei Jad Wa-Schem deponierter Zeugenaussagen bestätigt.) Von Unterführer Ritschek sagt er, der habe in sehr schlechtem Ruf gestanden, doch er selber, Schindler, könne aus eigener Anschauung nichts dazu sagen. Auch erkennt er Ritschek auf einem ihm vorgelegten Fahndungsfoto nicht eindeutig. Nur einem in den Listen der Justiz geführten Mann stellt Schindler vorbehaltlos ein einwandfreies Zeugnis aus: dem Ingenieur Huth, der ihm während seiner letzten Verhaftung behilflich war.
Und er fügt an, daß auch die Gefangenen immer mit Achtung von ihm gesprochen haben.
Als er über Sechzig war, trat Schindler in die Dienste der Deutschen Freunde der Hebrew University, hauptsächlich wohl auf Betreiben jener Schindlerjuden, die seinem Leben noch einmal Auftrieb und eine neue Richtung geben wollten. Er sammelte überall in Westdeutschland Spenden, was ihm Gelegenheit bot, seine besten Qualitäten hervorzukehren, seinen Charme und seine Überredungsgabe. Auch beteiligte er sich an den Vorarbeiten für den Austausch von deutschen und israelischen Kindern.
Obwohl seine Gesundheit angegriffen war, lebte er doch wie ein noch junger Mann; er trank und hatte eine Geliebte, Annemarie, die er in Jerusalem im Hotel König David kennengelernt hatte und die zum Mittelpunkt seiner letzten Jahre wurde.Seine Frau Emilie wohnte immer noch, ohne von ihm finanziell unterstützt zu werden, in dem kleinen Haus in San Vicente und lebte da noch, als dieser
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