Schindlers Liste
Bericht geschrieben wurde. Wie ehedem in Brünnlitz war sie eine zurückgezogen lebende geachtete Mitbürgerin. In einem 1973 gedrehten deutschen Dokumentarfilm hört man sie ohne jede Bitterkeit von ihrem Mann, von seiner und ihrer Tätigkeit in Brünnlitz sprechen. Schindler habe, so sagte sie sehr klarsichtig, vor dem Kriege nichts getan, was auf sein späteres ungewöhnliches Verhalten hätte schließen lassen. Es sei für ihn ein Glück gewesen, daß er in der kurzen, aber turbulenten Zeit zwischen 1939 und 1945 auf Menschen gestoßen sei, die seine besten Charaktereigenschaften zum Vorschein brachten.
Als Schindler 1971 das Büro der American Friends of Hebrew University aufsuchte, sammelten drei Schindlerjuden, die eine große Baufirma besitzen, unter 75 anderen überlebenden Gefangenen Schindlers insgesamt 120 000 Dollar für einen Schindler gewidmeten Raum im Truman Research Center der Hebrew University, wo ein Buch des Lebens ausliegt, das eine Schilderung der Rettungsunternehmen Schindlers und eine Namensliste der Geretteten enthält.
Zwei der Spender Murray Pantirer und Isak Levenstein waren sechzehn Jahre alt, als Schindler sie nach Brünnlitz holte. Jetzt waren diese seine Kinder zu seinen Eltern geworden, seine beste Stütze, die Wahrer seiner Ehre.
Er war jetzt sehr krank. Die ehemaligen Brünnlitzer Ärzte — so etwa Alexander Biberstein wußten das. Einer von ihnen bereitete die Freunde vor: »Ein Wunder, daß er noch am Leben ist. Sein Herz schlägt nur noch aus blankem Trotz.«
Im Oktober 1974 erlitt er in seiner kleinen Wohnung im Frankfurter Bahnhofsviertel einen Schlaganfall, und am 9. Oktober starb er im Krankenhaus in Hildesheim. Als Todesursache wurde eine Verhärtung der Blutgefäße in Hirn und Herz angegeben. In seinem Testament sprach er den oftmals geäußerten Wunsch aus, in Jerusalem begraben zu werden. Der Pfarrer der Franziskanergemeinde in Jerusalem erteilte innerhalb von zwei Wochen die Genehmigung, Herrn Oskar Schindler, einen der am wenigsten folgsamen Söhne der Kirche, auf dem römisch-katholischen Friedhof von Jerusalem beizusetzen.
Es verging noch ein weiterer Monat, bis Schindlers Leichnam in einem Bleisarg durch die bevölkerten Gassen der Altstadt von Jerusalem zum katholischen Friedhof getragen wurde, von dem aus man nach Süden über das Tal Hinnom blickt, das im Neuen Testament das Tal Gehenna heißt. Auf Pressefotos des Leichenzuges erkennt man zwischen vielen anderen Schindlerjuden Itzhak Stern, Mosche Bejski, Helene Hirsch, Jakob Sternberg und Juda Dresner. In allen Teilen der Erde lebten Menschen, die um ihn trauerten.
Thomas Keneally - Schindlers Liste (1994)
ISBN: 3442425298
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