Schischkin, Michail
auszufragen: »Warum ist sie nicht mitgekommen? Ist sie
sehr schön? Wie sieht sie aus? Ist sie brünett oder blond?« Gleich reiß ich ihr
die Zunge raus!, hab ich gedacht. Und das nicht aus Eifersucht auf Deine Olga,
sondern aus Wut, dass nicht ich Deine Frau bin! Besser gesagt, weil keiner
außer mir weiß, dass ich es bin. Warum müssen wir es
verheimlichen?
Wenn nicht
Deine Frau, was bin ich dann? Deine Geliebte? Ein abscheuliches Wort.
Sag mir
nur das eine: Liebst Du sie noch?
Und wenn
nicht - warum sind wir nicht zusammen?
Serjosha,
mit uns beiden wird alles gut, ich weiß es. In einem Monat kehre ich nach
Moskau zurück. Nehme mir ein Zimmer. Du verlässt sie und kommst zu mir. Und wir
werden glücklich sein.
Du sagst,
alles scheitere an dem Jungen, nur seinetwegen seid ihr noch zusammen. Ich
weiß, Du hast es mit ihm nicht einfach, er ist jetzt im schwierigsten Alter.
Du warst
so fassungslos, wie vom Schlag getroffen, als Du erzähltest, dass er Dir Geld
gestohlen und im Wettbüro mit irgendwelchen Taugenichtsen verjubelt hat.
Ich
verstehe Dich, wenn Du sagst, Sjomas wegen falle es Dir schwer, von ihr
wegzugehen. Aber er bleibt ja trotzdem Dein Sohn. Und wir werden noch ein Kind
haben. Möchtest Du, dass ich Dir ein Mädchen gebäre?
Ich habe
Dir das noch nicht gesagt. Also wisse: Ich möchte ein Kind von Dir. Unbedingt!
Nur von
Dir.
Die ganze
Zeit frage ich mich: Warum bist Du immer noch bei ihr? Die Sprüche von Kind und
Verantwortung sind nicht die Antwort, so viel weiß ich. Aber die unverblümte
Frage, was es ist, was Dir diese Frau zu geben hat, was Du nicht auch von mir
haben könntest, ist mir nicht erlaubt. Als könnte es da etwas geben!
Vielleicht
liegt es nur daran, dass ich stark bin und Du deswegen glaubst, ich hätte Dein
Mitleid nicht nötig. Es gibt Frauen, die zeit ihres Lebens die
Kleinmädchenrolle spielen und so ihre Umwelt nötigen, sich um sie zu sorgen.
Gehört sie zu denen? Und Dir tut sie leid?
Ich wühle
in meinen Erinnerungen wie in einer Schatulle mit kostbaren Klunkern. Und eine
jede will wieder Wurzeln schlagen in mir: Wie wir herumalberten, uns
gegenseitig in den Schnee stießen, ich warf Deine Mütze in eine Wehe. Dann
liefen wir unter der Brücke auf das Eis, bis in die Flussmitte, und stapften
dort unser Wort in den Schnee. Ich erinnere mich an den Frost, der Dir einen
grauen Schnurrbart wachsen ließ. Und wie wir uns in jener Nacht außer mit der
Decke auch noch mit Deinem Mantel zudeckten, der immer wieder herunterrutschte...
Und dann
am Morgen im Spiegel: eine fremde, schöne Frau. War ich das? Mit Deiner Liebe
bringst Du es fertig, mich schön zu machen!
Heute
Nacht im Traum habe ich Deine glatt rasierte Wange geküsst, bin Dir mit der
Hand übers Haar gefahren.
Einmal
interessiertest Du Dich für meine Sächelchen auf dem Nachttisch, nahmst jedes
einzeln in die Hand, und plötzlich sagtest Du: »Dieses Parfüm riecht nach
dir!«
Ich kenne
Dich auswendig. Fahre Dir mit den Fingernägeln über den Rücken. Die weiche
Behaarung der Schulterblätter kitzelt meine Handflächen. »Serjosha«, sage ich,
»Dir wachsen ja Flügel! Aber der rechte scheint größer zu sein als der linke!«
Unter dem Kissen hervor kommt die Antwort: »Mit dem rechten flattere ich
mehr.« Warum schläfst Du immer mit dem Kissen auf dem Ohr?
So geht
das nicht weiter! Ich kann so nicht mehr! Wir müssen zusammen sein, zusammen
wohnen, zusammen schlafen, zusammen essen! Als Du damals krank wurdest, war
meine erste Anwandlung, zu Dir zu eilen, Dich zu pflegen, zu heilen! Und es
ging nicht. Grenzen zu überschreiten ist nicht erlaubt. Lüge, nichts als Lüge!
Wie unwürdig - für Dich, für mich, für sie.
Ich bin
ganz verheult, dabei magst Du es nicht, wenn ich weine. Gut, dass Du mein
unschön verquollenes Gesicht nicht siehst. Ich reiße mich zusammen und richte
mich her, damit Du es wieder ansehen kannst.
Ich hatte
einen Traum bestellt, in dem Du vorkommst. Und siehe, was war das für ein
wunderbarer Traum! Du küsstest mich - wirklich überall, Du verstehst?
Brachtest mich an den Rande des Wahnsinns. Ich wachte auf und war ganz nass,
innerlich und äußerlich. Und so glücklich! Ich war diese Nacht mit Dir
zusammen!
Noch jetzt
spüre ich Deine Hand auf meiner Haut. Wenn ein Mann schöne Hände hat, so
besonders schöne Hände wie Du, dann kann seine Seele nicht hässlich sein. Hände
lügen nicht.
Wie ich
Deinen Körper liebe! Hände, Füße, Zehen!
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