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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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solche Füße
gesehen.
    Und wie
viele Kinder jetzt auf der Straße gelandet sind! Sie könnten einem leidtun -
was sie zu verhindern wissen, indem sie sich zusammenrotten und Leute
überfallen. Njusja erzählte, dass sie ihr die Handtasche entreißen wollten,
darin war ihr ganzes Monatsgehalt. Sie krallte sich fest, gab nicht nach. Da
brüllt einer von den Bengeln sie an: »Willst du, dass ich zubeiße? Ich hab die
Syphilis!« Da hat sie sehr schnell losgelassen. Kam tränenüberströmt nach
Hause.
    Muss man
sich schämen für seinen Wohlstand, wenn man von Armut und Siechtum umgeben ist?
Oder sich im Gegenteil freuen, dass man nicht in Lumpen auf dem Trottoir sitzt?
Dass man einen schönen Hut hat, hübsche Schuhe, Rouge auf den Wangen, dass man
jung ist und gesund, dass man liebt?
    Mein Gott,
was schreibe ich nur wieder.
    Habe
einmal mehr vor dem Spiegel gestanden. Den Mund aufgerissen, irgendetwas zu
erkennen versucht. Abscheulicher Anblick! Regen. Und was für welcher!
    Das
Pflaster ist von gelbem, blasigem Schaum überzogen. Das kommt von dem
austretenden Harz. Was die Petersburger bloß für einen Grund haben, stolz auf
dieses Holzpflaster zu sein! Einmalig - ja und? Ein bisschen Regen, und man
geht wie auf Schmierseife. Bricht sich das Bein, so schnell kann man gar nicht
gucken.
     
    Kanonendonner.
Was aber nicht heißen muss, dass es 12 Uhr mittags ist. Einmal wollte ich die
Uhr nach dem Schuss stellen, da sagte Epstein, der Kanone dürfe man heutzutage
nicht mehr trauen, denn die Sternwarte Pulkowo telegrafiere ihr 12-Uhr-Signal
nicht mehr an die Festung, nur noch ans Postamt.
     
    Immerzu
denke ich an Dich und an die Tage, als Du hier warst. Es war so wunderbar!
Alles hier erinnert an Dich. Selbst das Brot! Eben war Klawa hier. Brachte
einen Rosinenzopf aus Filippows Bäckerei mit - die Sorte, die Du so mochtest.
Wir gingen extra den Umweg am Laden vorbei, Ecke Staro-Newski/Poltawskaja,
weißt du noch?
    Es war
mein Traum gewesen, dass Du kommst! Hatte mir vorgestellt, wie wir uns im Park
vom Michail-Palais treffen, ins Dachrestaurant des Hotels Europa essen gehen...
Und auf einmal warst Du da! Ohne Brief, ohne Telegramm! Was lässt sich Schöneres
denken: Ich komme nach Hause, und da wartest Du auf mich! Das nenne ich ein
wahres Wunder.
    Ich bin
damals im Sommertheater aufgetreten, es regnete meistens, und trotzdem war es
jedes Mal ausverkauft. Das kommt nur, weil Ledja dabei ist, der Soschtschenko
vorträgt, sagte ich zu Dir, aber nein, sagtest Du, die kommen alle wegen dir.
Es war großartig, für Dich zu singen! So müsste es jedes Mal sein: auf die
Bühne gehen und wissen, Du sitzt unten im Saal, gleich sehe ich Dich!
    Bis in die
Eremitage haben wir es damals nicht geschafft. Alle Wege führten in dieses
Bett, das so unnütz und leer ist ohne Dich!
     
    Weißt Du
noch, Dein Taschentuch? Ich hatte es zu einem Männlein verknotet. Das wohnt
bei mir unter dem Kopfkissen. Damit ich einschlafen kann, muss dieses
Taschentuchmännlein meinen Daumen halten.
     
    Und weißt
Du noch, der Ausflug nach Strelna? Wie die Steine geflogen kamen, als wir im
Park spazieren gingen? Liebespaare müssten dort schon einen Kilometer voraus
mit großen Plakaten gewarnt werden, dass sich im Zarenschloss jetzt ein
Kinderheim befindet!
    Wie wir
die Kuppel der Isaak-Kathedrale bestiegen und mir schwindlig wurde von der
Höhe?
    Und wie
ich so gar keine Lust hatte, aus dem Bett zu steigen, dabei musste ich mir
langsam ein Abendessen einfallen lassen, und Du sagtest: »Nicht bewegen!« und
liefest selbst nach unten in den Genossenschaftsladen, brachtest Pralinen,
Schweizer Käse, Weintrauben und eine Flasche Wein! Ach, war das herrlich!
    Ich schob
dir eine Weinbeere in den Mund, und Du hieltest sie zwischen den Zähnen. Du
hast so göttliche Zähne!
    Epstein
war hier und hat mich zum Spaziergang abgeschleppt. Ohne frische Luft würde ich
noch ganz zur Mumie, sagte er. Wir sind gelaufen und gelaufen, am Ende standen
wir vorm Picadilly. Gingen hinein und gaben uns der Betrachtung eines deutschen
Filmes hin, der ausgesprochen dämlich war. Wir platzten in den 3. Akt. Hielten
es nicht aus und flohen, versuchten unser Glück im Colosseum. Vor Beginn der
Vorstellung wurde das Publikum von Foxtrott spielenden Balalaikavirtuosen
unterhalten. Wir sahen das Filmdrama Der Staatsanwalt. Eigentlich
Schwachsinn, doch es hat mich gepackt - und abgelenkt, darum ging es ja. Der
Staatsanwalt tritt als Ankläger gegen seine eigene Geliebte auf, die ihr

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