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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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Wie gerne ich Dich küsse und
streichle, all Deine Muttermale, Narben, die große Naht am Bauch! Aufgeschlitzt
haben sie Dich bei dieser Operation wie einen Fisch, mein Gott! Ich liebe es
über alles, Dein Knie zu streicheln und zu küssen, da, wo die schwarze Narbe
ist! Musstest Du die Wunde unbedingt mit Ruß einschmieren!
    Du magst
es, wenn ich Dir mit den Fingerspitzen über die Haut fahre. Wie ausgehungert Du
warst nach Liebe, und wie göttlich Du zu lieben verstehst! So manche Nacht
erlebe ich es wieder, wie Du mich da unten küsstest, Lippen auf Lippen, und wie
Dein Mund hinterher nach mir roch.
    Du redest
immer von Familie. Dabei hast Du doch schon lange keine mehr. Wie kann man
miteinander leben, ohne die Hauptsache zu teilen, das Allerheiligste, ohne das
man nicht leben kann?
    Ich bin
Olga nur das eine Mal begegnet und glaube, sie hat sogleich geahnt, gespürt,
was Sache war. Du hättest sehen müssen, wie boshaft sich ihre Augen verengten.
Deine Frau hat Raubtierzähne, krumm und schief. Sie ist viel zu glatt
frisiert, Haar klebt an Haar. Sie hat kräftige Musikantinnenfinger mit langen
Gliedern - die können gut krallen.
     
    Iossif ist
schon lustig. Er denkt, eine Frau hört es gern, wenn man ihr sagt, sie habe das
Gesicht einer Heiligen mit den Augen einer Sünderin. Klawa behauptet, das
Gleiche habe er auch zu ihr gesagt.
    Und all
diese billigen Tricks eines Schwerenöters mit lichtem Scheitel: »Vorsicht, Sie
haben da eine Raupe!« Ich quietschte und wusste im selben Moment, da war keine
Raupe. »Nicht bewegen, ich nehme sie Ihnen ab!« Worauf er mich zu umarmen
versuchte. Wie öde!
    Heute zog
er über Samjatins Roman Wir her.
Willst Du wissen, was ihm aufgefallen ist? Die Personen darin, Du erinnerst
Dich, haben anstelle von Namen einen lateinischen Buchstaben plus eine
vierstellige Zahl. Aber das lateinische Alphabet hat bloß 24 Buchstaben. Auf
jeden kommen 10 000 Menschen. Macht insgesamt 240 000. Das sind nicht mehr,
als bei uns auf der Wassilewski-Insel wohnen.
     
    Bloß gut,
dass ich Klawa habe! Heute bekam sie alles ab von mir. Sie hielt mir vor, dass
ich redete statt zu schweigen und meine Stimme zu schonen, dabei war ich kurz
vor einem hysterischen Anfall, und Hysterie entfesselt sich nun einmal schlecht
auf einem Fetzen Papier! Da nahm es Klawa auf sich, mich zu trösten, schluckte
den Zorn, der gar nicht der ihre war, ließ sich anstecken und geriet ebenfalls
in Rage. So brüllten wir uns gegenseitig an, ich tonlos, sie ordentlich laut,
und es dauerte seine Zeit, bis wir uns beruhigt hatten und einander heulend in
den Armen lagen.
    Morgen
reist sie nach Moskau. Hat es auch nicht leicht mit ihrem Igor!
     
    Natürlich,
ich will, was alle wollen! Reich und berühmt sein, eine große Nummer! Ich will
nach Paris, aber ja! Dringend! Doch das alles nur, um eines verrückten Tages,
oder nein, eines wunderbaren Tages, auf den allein hinzuleben lohnt, all
diesen Reichtum und alle Herrlichkeit zu verbrennen für ein einziges, einfaches,
zärtliches Gefühl. Für Deine Liebe. Was sollte das alles sonst für einen Zweck
haben?
    Ja, und
für unser beider Kind. Das wird es geben, verlass Dich drauf. Du und ich, wir
stecken in einem Körper.
     
    Weißt Du,
was Njusja einmal zu mir gesagt hat? Etwas Furchtbares. Sie sagte, der
Mutterinstinkt sei nichts weiter als ein Instinkt und unsere abergläubische
Ehrfurcht und Anbetung nicht wert. So hat sie es gesagt. Als ginge es um Hunger
oder Schlaf. Eine physische Verrichtung unseres Organismus. Die höchste
Entäußerung des Mutterinstinkts könne man bei der Henne beobachten, die fürsorglich
ein Porzellanei auszubrüten versucht. »Soll das heißen«, fragte ich, »dass die
Liebe auch nur ein Porzellanei ist?« Darauf sie: »Liebe hat mit Fortpflanzung
überhaupt nichts zu tun. Liebe existiert ganz für sich - auch unerwidert, auch
ohne Nachkommenschaft, so wie es umgekehrt ohne Liebe Nachkommen geben kann.«
    Njusja hat
sich seit ihrer Scheidung sehr verändert. Sie ist verbittert der Welt
gegenüber. Mit ihr lässt sich überhaupt nichts mehr anfangen. Ich versuche ihr
aus dem Weg zu gehen. Halte es nicht aus, es ist zu schwer.
    Was
genauso schrecklich ist: Sie will nicht einsehen, dass sie nie wieder wird
Konzerte geben können. Öfters vergisst sie sich und macht wie früher nebenher
ihre Gelenkigkeitsübungen: Schiebt den Daumen zwischen die Finger, erst
langsam, dann immer schneller, in den verschiedensten Kombinationen. Bis sie
sich besinnt und die

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