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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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Kutschen begegne, unbedingt
hineinschauen.
    Gestern
saß eine Mama mit Kind auf der Bank nebenan und las. Der Schnuller fiel
herunter, das Kind fing an zu schreien, sie stand auf, leckte das Ding sauber,
steckte es an seinen Platz... Das ist alles so lustig. Werden wir zwei auch
solchen Spaß miteinander haben, Pünktchen?
    Ein
anderes Murkelchen, schon etwas größer, wusste nicht, wie es die kleine Treppe
zum Springbrunnen hinunterkommen sollte. Da drehte es sich um und rutschte die
Stufen rückwärts auf dem Bauch hinab.
    Es ist
dies kein normaler Park, sondern ein imperialer. Beim Flanieren auf den Alleen
begegnen einem immerfort königliche Exzellenzen: mal Anne de Bretagne, mal
Marguerite de Provence, hier Blanche de Castille, da Anna von Habsburg. Gestern
saß ich Marguerite de Valois gegenüber. Für einen Augenblick kam die Sonne
hervor, Lichtflecken huschten über ihr Kleid, so als wollte sie die langen
Falten glatt zupfen; diese Frauen mochten sich in Erwartung ihres Pünktchens
genauso gefühlt haben wie jetzt ich, fiel mir ein. Das brachte sie mir auf
einmal ganz nahe! Bestimmt hatten auch Königinnen das Gefühl, dass alle
Imperien Firlefanz waren im Vergleich zu dem, was sie in sich wachsen spürten -
eine Welt, die größer und bedeutender ist als alle Königreiche und Republiken
zusammengenommen.
    Um sieben
Uhr in der Früh weckte mich ein Gewitter. Auch jetzt, während ich schreibe,
gewittert es schon wieder.
    Da lebe
ich nun in Paris, am Mittelpunkt der Welt, und mit wem muss ich mich abgeben?
Ljubotschka! Wir waren gestern zwei Stunden spazieren, wovon mir noch am Abend
der Kopf schmerzte. Ljubotschka spricht nicht, sie quäkt. Und das ohne Pause.
Aber besser als gar keine Konversation.
    Sie hat
mir gezeigt, wo letzten Mai Petljura umgebracht wurde - Ecke Rue
Racine/Boulevard Saint-Michel.
    Sie sei in
der achten Woche mit starken Blutungen ins Krankenhaus eingeliefert worden,
erzählte sie, und alle hielten es damals für wenig wahrscheinlich, dass sie ihr
Kind gesund zur Welt bringen würde. Ihr dürres Gesäß sei von den Spritzen ganz
zerstochen gewesen, voller Blutergüsse und blauer Flecken, sie habe Kohlblätter
aufgelegt, das sei das Einzige gewesen, was half.
    Das erste
Mal war sie »aus jugendlicher Dummheit« in die Ehe geschlittert und ließ sich
wieder scheiden, nachdem ihr Mann sie mit Gonorrhöe angesteckt hatte. Da war
das Kind vier Monate alt.
    Sie hat im
Gossisdat-Verlag gearbeitet, in einem Zimmer mit einer reiferen Dame, die in
einem fort Papirossy qualmte. Das war niemand anderes als Ljubow Dmitrijewna,
die »Schöne Dame«, die der Dichter Alexander Blok besang. All das erzählte
Ljubotschka, um mich zu erheitern. Aber ich fand es eher traurig und peinlich.
    Ihr
jetziger Mann ist Sekretär bei der Handelsmission. Ich habe ihn einmal gesehen,
er kam mir sympathisch vor, aber nach dem gestrigen Gespräch habe ich den
Eindruck, dass sie ihn überhaupt nicht liebt.
    Ljubotschka
plappert unentwegt, nach einer halben Stunde kriege ich Kopfschmerzen, ohne bis
dahin zu Wort gekommen zu sein. Was aber auch gar nicht nötig ist. Heute
erzählte sie die Geschichte, wie es einmal, schon hier in Paris, bei ihr an der
Tür schellte, sie war gerade beim Bügeln. Draußen stand ein junger Mann,
Franzose, der vorgab, ein Dichter zu sein, er hausierte mit seinen Gedichten.
Ihn wegzuschicken brachte sie nicht übers Herz. Sie feilschte, und er überließ
ihr für einen Franc ein sehr kurzes Gedicht. Als er gegangen war, las sie es.
Das Gedicht war umwerfend gut! Sie verliebte sich auf der Stelle in ihn. Kam zu
dem Schluss, dass dies nun die wahre Liebe war, die Liebe ihres Lebens, denn
wie sonst käme ein Genie darauf, bei ihr anzuklopfen. Sie suchte überall nach
ihm, fragte herum, wollte schon Zeitungsannoncen aufgeben - da eröffnete ihr
jemand, dass es sich um ein berühmtes Gedicht von Arthur Rimbaud handelte.
     
    Pünktchen
fängt an sich zu bewegen! Alles wie vom Arzt vorausgesagt: neunzehnte Woche.
    Tagsüber,
wenn ich allein bin, sorge ich erst einmal für Ruhe. Schließe alle Fenster,
halte die Uhr an. Lege mich hin. Horche in mich hinein.
    So auch
diesmal. Lag da und lauschte. Nichts. Drehte mich auf den Bauch. Lag ganz
still, hielt den Atem an. Und auf einmal - plopp! Als platze in meinem Bauch
ein winziges Bläschen. Und gleich noch mal. Und wieder.
    He,
hallo?! Mein Pünktchen, wer bist du?
    Ossik
möchte ein Mädchen, und ich weiß nicht, was ich will. Wahrscheinlich auch

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