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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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stellen spanische Wände auf und hängen sie daran. So entstehen
ganze Ausstellungen unter freiem Himmel. Die Amerikaner kaufen alles auf. Was
man jetzt billig zu kaufen kriegt, so hat mir Ossik erklärt, wird in zwanzig,
dreißig Jahren ein Vermögen wert sein. Ich hätte ihn gern gebeten, etwas zu
kaufen. Natürlich nicht, um es dreißig Jahre liegen zu lassen. Wozu braucht man
in dreißig Jahren ein Vermögen? Fragt sich, ob nach so langer Zeit überhaupt
noch irgendwer und irgendwas da ist. Nein, es ist nur: Man verguckt sich so
leicht in etwas! Aber ich weiß, dass Ossik momentan knapp bei Kasse ist. Und
dass er mir keinen Wunsch abschlagen kann. Mein lieber Ossik!
    Heute
schauten die Künstler immer wieder besorgt zum Himmel: Wird es regnen oder
nicht? Ich kann mir vorstellen, dass sie es leid sind, sich und ihre Bilder
immer wieder in Sicherheit bringen zu müssen. Aber ich mag den Regen sehr! Und
in dieser Stadt ganz im Speziellen. Paris bei Regen ist sehr hübsch, besonders
abends, wenn die gespiegelten elektrischen Lichter auf dem nassen
Kopfsteinpflaster schwimmen - so wie jetzt.
     
    Ein
grauer, finsterer Tag. Seit dem Morgen gießt es wie aus Kannen. Bin zu Hause
geblieben. Habe erst gesungen und dann den ganzen Tag gelesen.
    Wenn ich
singe, dann nicht so sehr für mich, sondern für Pünktchen. Ich habe gehört,
dass die Zigeuner vor dem Bauch der werdenden Mutter zu singen pflegen, damit
schon vor der Geburt für die Musikalität des Kindes gesorgt ist. Und
musikalisch werden sollst du natürlich unbedingt, Pünktchen! Wenn du erst ein
bisschen größer bist, werden wir gemeinsam singen - oder du singst, und ich
begleite dich!
    Und damit
du von allem Schönen auf der Welt umgeben bist, nicht bloß Musik, gehe ich mit
dir öfters ins Museum. Wir beide waren sprachlos vor Begeisterung, als wir im
Louvre waren, und bei Rodin, und im Cluny, stimmt's? Weißt du noch, die Dame
mit dem Einhorn? Sie gefiel uns über alle Maßen! Eine Stunde haben wir vor ihr
versessen! Und wir gehen noch mal hin, ja?
    Mein Gott,
wie sich so ein Tag hinziehen kann! Wenn Ossik doch endlich käme!
    Auf den
Mann zu warten fühlt sich wunderbar an. Müde und hungrig kehrt er nach Hause.
Mein Mann! Wie hübsch das klingt. Mit meinem Iossif bin ich doch sehr
glücklich. Wie er mir den Hof macht - mir und unserem Pünktchen! Wie viel Sorge
in ihm ist, wie viel Liebe! Jeden Tag, bevor er ins Büro geht, steht er extra
früher auf, um Pünktchen und mir eine Mohrrübe zu putzen und zu reiben. Er ist
so rührend!
     
    War lange
unterwegs, bis zum Trocadero. Jetzt bin ich müde. Die ganze Zeit grollte wieder
irgendwo ein Gewitter.
    Ich
betrachtete die Schaufenster und verglich sie mit Berlin. Im Nachhinein kommt
mir dort alles sehr fade vor, ohne Geschick und ohne Geschmack. Dagegen hier! Eine
Krawattenauslage ist ein wahrer Garten, eine Landschaft - schillernde Kaskaden,
Ströme von Farben! Odeurs von Meer und Frühling! Und alles nur mithilfe von
Kontrasten in den Stoffen, Samt und Seide und sonst etwas.
    Ich gehe
nach Möglichkeit täglich spazieren, bei jedem Wetter. Pünktchen braucht frische
Luft. Und Feste! Hier wird immerzu gefeiert! Alle vierzehn Tage finden in zwei
der zwanzig Arrondissements Straßenfeste statt, mit Jahrmärkten, Achterbahn,
Karussells, Schießbuden, Possenreißern, Zauberern und Jongleuren.
    Und wie
sehr hat es uns geschmeichelt, dass anlässlich unserer Ankunft an der Gare du
Nord ganz Paris auf den Beinen war und feierte! Sie kamen in hellen Scharen und
sangen ihre Marseillaise. In Paris am 14. Juli anzukommen kann man nur empfehlen!
So viele Menschen - und nirgends Wachleute oder Soldaten; Pärchen gehen eng
umschlungen, jeder lächelt jedem zu.
    Regelmäßig
gehe ich in den Jardin du Luxembourg. Mir scheint, es ist der schönste Park auf
der ganzen Welt, und das vor allem, wenn die Sonne scheint. Man fühlt sich so
leicht und frei! Hier küsst man sich, dort kaut jemand sein Butterbrot. Beides
öffentlich zu tun scheint für die Franzosen eine Lebensnotwendigkeit zu sein.
Ich bekam gleich Lust, mich mit Iossif dort niederzulassen, Küsse zu tauschen
und Butterbrote. Gern schaue ich den alten Männern beim Boulespielen zu. Es
ist, als würde ich sie alle schon kennen, denn sie nicken mir freundlich zu.
    Und diese
vielen jungen Mütter mit Kindern! Alle Pariserinnen scheinen entweder schwanger
oder vor Kurzem niedergekommen zu sein - so viele Kinderwagen! Neuerdings
möchte ich, wenn ich einer dieser kleinen

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