Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schiwas feuriger Atem

Schiwas feuriger Atem

Titel: Schiwas feuriger Atem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford & William Rotsler
Vom Netzwerk:
die abgehauen war – sie würde es erfahren, wenn sie noch lebte. Vielleicht saß sie sogar in dieser Minute in irgendeiner miesen Kneipe und versuchte nuschelnd, der ganze Theke begreiflich zu machen, daß der Mann in Alpha ihr Sohn war. Und auch seinem Vater würde er es zeigen, wo immer der auch sein mochte. Leben würde er schon noch. Der würde immer am Leben sein, und wenn auch nur, um ihn zu ärgern. Immer kritisierend, höhnisch, miesmacherisch. Nie konnte man ihm etwas gut genug machen, nichts, auch wenn es tadellos war. Aber er würde es dem Alten schon zeigen!
    Was hatte Chang Chao gesagt? »Eine kleine Ungerechtigkeit kann man in einem Becher Wein ertränken, aber eine große Ungerechtigkeit nur in Blut.« Rache muß sein, dachte er, Rache ist eine furchtbare und fürchterliche Notwendigkeit. Man kann nicht leben, wenn die Waage nicht im Einstand ist, wenn man mit seinem ganzen Leben die unerfüllte Rache kompensieren muß, nach der man so giert. Selbst wenn man sich so an die Unausgeglichenheit gewöhnt hat, daß man auch nach vollbrachter Vergeltung nie wieder normal wird. Spielt keine Rolle. Es gibt immer irgendwelche Menschen, an denen man sich rächen muß.
    Carl warf einen Blick auf die Konsole. Was für eine blöde Idee, Lisa Bander anrufen zu wollen! Was konnte er ihr schon sagen? Bestimmt nicht das, worauf es ankam. Man gibt seinem Feind kein Schwert, man zeigt ihm nicht den Sprung in seinem sorgfältig geschmiedeten Lebenspanzer. Das wäre Wahnsinn. Und wenn ich sonstwas bin, dachte er, wahnsinnig bin ich bestimmt nicht.
     
    Zakir Shastri wurde krank und mußte mit der letzten Fähre, die alle bemannten Satelliten abflog, zur Erde zurückgebracht werden. Er übergab die Station Radhakrishnan. Sie erwarteten nicht, daß sie sich je wiedersehen würden, was beide sehr betrübte, denn sie waren über lange Zeit gute Gefährten.
    Die Trunksucht des Astronauten Mort Smith war so schlimm geworden, daß er abgelöst und in ein Marinelazarett eingewiesen werden mußte.
    Nikolai Menschow, Assistent des früheren Ministerpräsidenten, setzte sich nach London ab, wo er beinahe sofort auf mysteriöse Weise starb. Kirow, der neue Mann an der Spitze Rußlands, erklärte öffentlich, daß russische Kosmonauten im Begriff seien, die Welt zu retten.
    Igor Fedinsky, der Atomphysiker, der jahrelang Mozart als Trivialkomponisten bezeichnet hatte, entdeckte plötzlich seine Liebe zur Musik dieses Österreichers. Er hörte nur noch Mozart, sonst kaum noch etwas, auch nicht seine Frau.
    Veracruz Llave wurde durch die Flutwelle nach einem Einschlag in den Golf von Campeche vernichtet. Dieselbe Flutwelle richtete in Merida, Yucatan, Schäden an und schlug an die Fundamente der Maya-Bauten in Uxmal. Die brausenden Wogen legten in den Urwaldhügeln unbekannte Bauwerke frei.
    In den Felsengängen der Teller Air Force Base wurde ein ältlicher Senator größenwahnsinnig und wollte Präsident Knowles stürzen.
    Auf der zu Haiti gehörenden Insel Hispaniola wurden fast pausenlos mit wüsten Orgien verbundene Voodoo-Zeremonien zum Schutz vor Schiwa abgehalten.
     
     
     
    22. Mai: Kollision minus 3 Tage, 10 Stunden
     
    Barbara Carr machte die Badezimmertür hinter sich zu und legte ihre Handtasche auf die Toilette. Gebückt wühlte sie darin und fand schließlich die Plastikröhre. Sie füllte ein Glas voll Wasser und ließ vier Tabletten hineinfallen. Mit einem Mundvoll bitterlich schmeckenden Wassers schluckte sie sie hinunter und lehnte sich dann an die Wand.
    Sie hatte jetzt immer häufiger Depressionen, besonders nachts. Das Personal war keine Hilfe mehr. Wohin sie im Weißen Hause auch ging, sahen die Leute weg. Man antwortete ihr in kurzen knappen Sätzen oder mit überhöflicher Genauigkeit, so als müsse man sie mit besonderer Vorsicht behandeln. Domino-Theorie: Brach sie zusammen, dann brach auch der Präsident zusammen.
    Sie musterte sich im Spiegel. Unsinn. Er war stark. Er mußte stark sein, und das wußte er. Aber gerade deswegen wurde auch der Druck, unter dem er stand, immer stärker. Nirgends konnte er sich entspannen, Dampf ablassen, die Öffentlichkeitsmaske ablegen.
    Nirgends als im Bett. Da und nur da konnte er sich vergessen. Dort und nur dort leistete sie ihren Beitrag. Sie hielt ihn im Arm, besänftigte ihn und gab ihm Lust.
    Der Mann, den sie nachts im Arm hielt, war ein anderer als der, den die Welt oder auch nur die Funktionäre des Weißen Hauses sahen. Ein Präsident mußte ein Führer sein,

Weitere Kostenlose Bücher