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Schiwas feuriger Atem

Schiwas feuriger Atem

Titel: Schiwas feuriger Atem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford & William Rotsler
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Platte, $ .05 die Achtspur-Stereokassette.
    Noch vor wenigen Monaten hatte ihn kein Mensch hören wollen. Die Menschen waren in ihrem eigenen Leben vergraben, an Tätigkeit, Gewohnheit, Gleichgültigkeit gebunden. Die Kunde von Schiwa wirkte wie eine leichte Brise auf einem See; hier und dort jedoch schlugen die Wellen höher. Aber erst einen guten Monat später fingen sie an, zu ihm zu kommen. Er hatte ganz einfach begonnen, in Parks und über öffentliche Fernseher, hatte seine Botschaft sozusagen auf der elektronischen Seifenkiste verkündet.
    Da strömten sie herbei, zu zweit und zu dritt, Familien, Paare, die Erfolglosen und die Erfolgreichen, hatten ihre Gefühle in unbeholfenen Sätzen zum Ausdruck gebracht, oder mit Worten aus seinen eigenen Predigten. Da hatte er wahrhaft den innersten Herzschlag dieser Menschen gefühlt, die Überzeugung, Schiwa sei das geheiligte Instrument göttlichen Willens, um die Welt wieder in Ordnung zu bringen. Eine Reinigung, ein Neuanfang. Der Herr und Gott Jehova wollte es zum zweiten Male versuchen. Er hatte es schon einmal getan: mit der Sintflut.
    So hatte die Sendung Bruder Gabriels begonnen. Kleinere Versammlungen, Zelt-Evangelisationen, Talkshows im Fernsehen. Dann der Durchbruch im Städtischen Auditorium von Dallas, und danach die Veranstaltung im Vanguard Stadium von Phoenix. Der Attentatsversuch im Riverford Stadion von Cincinnati, der sechzehn Menschen das Leben kostete, hatte ihn noch prominenter gemacht. In Oakland, im County Coloseum, hatte es eine Massenschlägerei gegeben zwischen seinen Anhängern und den unorganisierten Gegnern seiner Lehre und seines Glaubens. Man wußte nicht genau, wie viele dabei ums Leben gekommen waren; die Zahl lag irgendwo zwischen hundert und zweihundert, dazu etwa tausend Verletzte. Aber das alles hatte gradenwegs in diese Berge geführt, wo sich jetzt die Scharen der Bereiten und Harrenden drängten, mit den Medien-Kameras, den Beleuchtertürmen, den Tribünen draußen in der Dunkelheit. Und er war derjenige, dessen sie harrten.
    Er trat in die Mitte des Lichtkreises. Als er die Hände senkte, schien er selbst zu leuchten. Im weißen Gewand, bärtig, war er fast der typische Hollywoodprophet, und doch …
    Die riesige Menschenmenge wurde still. Ein zischender Laut glitt über die erhobenen Gesichter – solche, deren Begeisterung größer war als ihre Aufmerksamkeit, wurden zum Schweigen aufgefordert.
    Er wartete.
    Dann zog er ein Papier aus dem Ärmel. »Brüder …« Die Menge seufzte auf. Weit hinten ertönten ein paar schwache Hochrufe. Die Lautsprecher trugen seine Worte bis in die fernsten Hügel. »Brüder, hier habe ich ein amtliches Schreiben. Es ist mir soeben von Justizbeamten überreicht worden.«
    Rufe wurden laut, doch er wartete, bis sie abgeklungen waren und wandte sich so, daß jedermann in dem riesigen natürlichen Amphitheater ihn gleichermaßen sehen wie hören konnte.
    »Das Schreiben kommt vom Gouverneur dieses Staates. Er befiehlt uns – das heißt, mir – diese heilige Zusammenkunft aufzulösen.« Wütendes Geschrei, das vereinzelt begann, sich aber mit erschreckender Schnelligkeit ausbreitete. Bruder Gabriel hob die Hände, und die Menschen beruhigten sich wieder. »Er sagt, wir wären eine unmittelbare und akute Gefahr für die Sicherheit der Bürger dieses Staates!« Wieder stieg ein Gebrüll auf, noch rascher und lauter, doch es erstarb, als Bruder Gabriel die Hand erhob und sich zur Seite wandte. Jedes Haar seines Bartes und seiner fliegenden Mähne erschimmerte im taghellen Scheinwerferlicht. »Er sagt, wir seien eine gesetzwidrige Versammlung!«
    Wieder stieg Gebrüll auf, wie programmiert, fegte von den Hügeln herab, hallte wider, donnergleich. Bruder Gabriel lehnte sich zurück und lachte leise, tief und kehlig; das in seinem Gewand verborgene Mikrophon sandte dieses Lachen rollend durch die zahlreichen Lautsprecher in die Hügel. Die Baßtöne kamen als Echo zu ihm zurück, als die Menge wieder still war. Man rief ihm Ratschläge zu, stellte ihm Fragen, doch er ging nicht darauf ein. »Nun – ich glaube, was wir vom Gouverneur zu halten haben, wissen wir alle«, fuhr er fort und hielt inne, bis die brüllende Zustimmung verklang. »Er wird uns ebensowenig aufhalten können, wie die Bundesregierung Schiwa aufhalten kann!« Wieder reagierte die Menge in den Hügeln mit dumpfem Gebrüll.
    Er hob die Hände, warf das Schreiben fort, es flatterte auf die Bühne und blieb liegen. » Wir sind das Volk.

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