Schiwas feuriger Atem
Gesprächspartner, bei dem die Reporter immer auf eine Geschichte oder einen markanten Ausspruch rechnen konnten, besaß er eine fast unheimliche Fähigkeit, Richtung und Stärke der politischen und wissenschaftlichen Strömungen innerhalb seines Fachgebiets vorauszusehen, und genierte sich auch keineswegs, gegebenenfalls auf diesen Trend einzuschwenken. Soeben hielt er Hof für eine sorgfältig ausgewählte Gruppe von Journalisten. Da sah er Lisa Bander und Diego Calderon in den Instruktionsraum der NASA gehen und runzelte die Stirn, denn zwei der Journalisten brachen aus und suchten die Neuankömmlinge abzufangen. Doch rasch kam er auf sein Thema zurück, das er so sachverständig in aller Welt populär zu machen wußte: die Erforschung des Weltraumes. Die beiden, die ihm eventuell bei der Presse die Schau stehlen konnten, behielt er jedoch scharf im Auge.
»He, Lisa, Moment mal«, rief Py Rudd, blickte über die Schulter und gab seinem Kameramann ein Zeichen, der sofort sein Videogerät auf Rudd und Lisa richtete. »Ich höre, ihr beide habt da in Vandenberg ’ne riskante Sache abgezogen. Kommentar?«
»Schreiben Sie bloß nicht, ich hätte ›kein Kommentar‹ gesagt, Py«, lächelte Lisa. »Wir wollten bloß den Steuerzahlern ein paar Dollars ersparen.«
Nancy Darrin von CBS trat hinzu. »Da gibt es so ein Gerede von Befehlsverweigerung, Colonel Calderon.« Aber Diego sah sie nur mit ausdrucksloser Miene wortlos an.
»Also wirklich, Colonel«, bohrte Nancy eisig lächelnd weiter, »Ihr Ruf als großer Schweiger kollidiert manchmal mit dem Recht des Publikums auf Information.«
Achselzuckend blickte er zur Seite. »Wenn ich was zu sagen habe, dann sage ich’s schon.« Die Zurückweisung schreckte die aggressive Reporterin keineswegs ab, doch Rudd vom NBC sprach zuerst. »Major Bander, wissen Sie, was heute hier los ist? Man hört so viele Gerüchte…«
Die Astronautin lächelte höflich. »Ich bin bloß eine kleine Angestellte, Py. Wenn ich gerufen werde, komme ich.«
»Es geht doch um die Meteoreinschläge, nicht wahr?« beharrte er. Lisa zuckte die Achseln. Sie merkte, daß er sie unverhohlen bewunderte, nicht nur als Frau, sondern auch als fähige Astronautin. Lisa war blond, braungebrannt, von sportlich kräftiger Figur und hielt sich stets sehr gerade, wie unter einer Art Federspannung. Sie war weder ein zierliches Blümchen noch die hochnäsig glanzvolle »Astronette« und Frauenrechtlerin, als die sie die Medien so häufig hinstellten. Sie war einfach Major Lisa Aramintha Bander, Offizier der US-Luftwaffe und amerikanische Astronautin.
»Diego«, sagte Nancy Darrin knapp mit ihrer »Laß-den-Unsinn-und-lüg-mir- nichts-vor-oder-ich-zieh- dir-das-Fell-ab«-Stimme, »haben Sie etwas dazu zu sagen?«
Der schwarzhaarige Astronaut zuckte die Achseln. »Nicht mehr als Sie, Miss Darrin. Wollen Sie uns jetzt bitte entschuldigen?« Die weißen Zähne blitzten in dem olivbraunen Gesicht, als er in die Kameralinse lächelte. Er faßte Lisa beim Ellbogen und machte Anstalten, sie hinwegzuführen.
»Immer noch in Liebe vereint?« fragte Nancy. Diego fuhr herum und sah sie kalt und böse an. »Nicht zur Veröffentlichung bestimmt«, beschwichtigte sie mit eisigem Lächeln.
»Veröffentlichung oder nicht – das geht niemanden etwas an.«
»Astronauten gehen jeden etwas an«, erwiderte sie und lächelte immer noch das glitzernde Profi-Lächeln der Zeitungshaie. »Besonders ihre beide, die ihr so gar nicht mehr in das alte betuliche Muster hineinpaßt.« Sie seufzte gekonnt dramatisch, doch ihre Augen waren kalt und berechnend. Diego bemerkte, daß die CBS-Kamera auf sie gerichtet war. Auch die Kamera einer europäischen Nachrichtenagentur schwenkte jetzt zu ihnen herum. »Ihr Raum-Typen«, fuhr Nancy fort, »wart doch sonst immer wie die Brezeln, so einheitlich glatt und knusprig. Sogar die Frauen sehen sich alle ähnlich.«
Diego widerstand der Versuchung, ihren Köder zu schlucken. »Hm, ja«, machte er nur unverbindlich und wandte sich ab.
Nancy ließ nicht locker. »Die Leute denken immer, Astronautinnen würden irgendwo in einem Geheim-Labor hergestellt. Vielleicht von einer Miss America geklont.«
»Ja, stimmt, ganz recht«, murmelte Diego mit einem Seitenblick auf die Reporterin, »kommen genau daher, wo die Schreiberlinge ihre Ideen herhaben.«
Nancy behielt ihr kühles Lächeln auf; sie legte sogar den Kopf zur Seite, als ob sie Diegos Schlagfertigkeit anerkenne. Dann zog sie eine mächtige
Weitere Kostenlose Bücher