Schiwas feuriger Atem
klettern. Er stemmte die Füße gegen die Granitmauer und zog sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit hoch. Als er über der Menge war, konnte Kingsley sehen, daß er ein Sweatshirt mit den Initialen der Armageddoniten-Sekte trug. An seinem Gürtel hing eine Flasche.
Kinsley sah sich um – wo mochte wohl die Polizei sein? Er horchte – wo blieb das schrille Jaulen der Sirenen? Er konnte keinen einzigen Polizisten erblicken, nicht einmal auf den Dächern. Vielleicht stimmte das Gerücht, daß die Polizisten streikten. Alles streikte ja.
Betroffen blickte er wieder hin, und da sah er, daß der Mann direkt unter Lisas Banner hochkletterte. Er erschrak. Gewiß, es war Unsinn, daß er erschrak: das Banner war keine Landesfahne, das Tuch war auch nicht Lisa. Doch das Erschrecken blieb.
Brüllend blickten die Massen zu dem Mann hoch. Der erste Mann beugte sich vor, um den Kletternden anzufeuern, und arbeitete sich auf dem Sims voran, ihm entgegen. Der zweite war jetzt beinahe oben. Deutlich trat durch die Anstrengung sein Bizeps heraus. Er erreichte den oberen Saum des Lisa-Banners und zog sich über die Simskante. Er winkte denen unten zu, tat ein paar tänzelnde Schritte, und die Masse brüllte Beifall.
Der Mann löste die Flasche vom Gürtel und schwenkte sie triumphierend. Wieder jubelten ihm die Massen zu. Kingsley wurde plötzlich klar, was geschehen würde: In der Flasche war irgendeine brennbare Flüssigkeit. Der Mann wollte das Banner in Flammen setzen. Der erste Mann war jetzt nicht mehr zu sehen; der Kletterer sonnte sich in der Spannung der Massen.
Brannte Lisas Banner, so würden die anderen ebenfalls Feuer fangen, und in kürzester Zeit würde die gesamte Front der National Gallery in Flammen stehen. Die Gallery war aus solidem Stein gebaut, aber die Stützkonstruktion konnte brennen, ganz abgesehen von dem Schaden an den Kunstschätzen im Innern.
Diese Menschen wissen nichts davon, dachte Kingsley, oder es ist ihnen ganz egal, sie wollen bloß das Image der Astronauten vernichtet sehen.
Wild knurrend schob sich Kingsley weiter vor. Andere drückten ihm entgegen oder wollten sich nicht wegschieben lassen. Durchschlüpfend, Grobheiten austeilend, schiebend und stoßend, ohne sich um Proteste oder einen gelegentlichen unbedeutenden Schlag zu kümmern, gelangte er an den Rand, wo die Menschen nicht mehr so drängten, und auf einmal stand er frei, am Fundament der Gallery. Zuletzt hatten ihm sogar einige ermutigend auf die Schulter geklopft. Fast alle starrten empor, mit verzerrten Gesichtern und offenen Mündern.
Ein Mann im Talar, mit stoppeligem Gesicht, kam auf ihn zu und sagte irgend etwas, das zornig klang, aber im lauter werdenden Stimmengewirr unterging. Er packte Kingsley beim Arm. Kingsley riß sich los und stieß den Mann so heftig zurück, daß dieser stürzte. Er hatte einen plumpen Stock aus unbearbeitetem Naturholz bei sich gehabt, vielleicht weil er meinte, so etwas passe zu seinem biblischen Image. Kann ich prima gebrauchen, dachte Kingsley, und nahm ihn auf.
Sofort stürzten zwei Männer auf ihn zu, mit vorgestreckten Händen und wutverzerrten Gesichtern. Im Lärmen der Menge ging jeder Einzellaut unter. Kingsley faßte den Stock mit beiden Händen, hieb ihn dem Vordersten blitzschnell und heftig über den Schädel. Der zweite blieb stehen, sah erschrocken zu seinem Genossen hin und stürzte sich dann mit erneuter Wut auf Kingsley. Der wich zur Seite aus und rammte ihm das andere Ende seines pseudo-biblischen Wanderstabes in den Magen. Der Mann stolperte, fiel und riß Kingsley mit zu Boden.
Kingsley sah hoch. Eben goß der Mann auf dem Sims Benzin über Lisas Banner. Man roch es. Die Menge brüllte und klatschte Beifall. Einige in der Nähe beschimpften Kingsley fäusteschüttelnd, als dieser sich freimachte und aufstand. Der Mann, dessen Stab er hatte, rappelte sich ebenfalls hoch, wich aber vor Kingsley zurück, der mit schlagbereitem Stock auf ihn losging. Aus der Menge kamen Hohnrufe, und der Mann im Talar straffte sich und ging mit einem Schrei auf Kingsley los. Doch er war unsicher, bog ab und wollte von der Seite angreifen; da bekam er mit dem spitzen Ende des Stabes einen heftigen Stoß in den Magen. Nach Luft schnappend, ganz grün im Gesicht, krümmte er sich. Wieder schwang Kingsley den Stab und versetzte ihm einen Hieb über den Schädel. Der Talarträger fiel zu Boden.
Unsicher kamen die beiden anderen auf die Füße und blieben stehen. Sie schienen Angst zu haben, und
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