Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schiwas feuriger Atem

Schiwas feuriger Atem

Titel: Schiwas feuriger Atem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford , William Rotsler
Vom Netzwerk:
andere hatten dort zu viele Entscheidungen getroffen. Dort wurde er beobachtet, beurteilt. Das machte unsicher. Deswegen schätzte er das kleine Büro.
    Über einen kurzen Flur gelangte er in das kleine Badezimmer. Die Hände auf den Rand des Waschbeckens gestützt, schaute er zunächst in den Spiegel, wandte sich dann ab und starrte das Handtuch auf der Stange an. Er mußte Jagens’ Andeutungen sortieren und mit den Informationen über das Schiwa-Programm koordinieren, die er aus hundert anderen Quellen bekam. Manches von dem, was Jagens gesagt hatte, traf zu. Bei seinen Worten war ihm, Knowles, manches klar geworden. Es war so eine nebulose Geschichte, wie man sie intuitiv erfaßt, ehe man sie mit Fakten belegen kann. Manchmal sah man einen Vorgang klarer, wenn man von dem alltäglichen Nahkampf etwas weiter weg war, von den kleinkarierten Problemen, die sich beunruhigend häuften und einem die Perspektive verschoben. Das war ja gerade der Sinn des höchsten Staatsamtes, daß man seine Entscheidungen aus einer gewissen Distanz treffen konnte, auf Grund von Beurteilungen, die den unteren Rängen nicht zugänglich waren – das große Bild, der große Überblick, der Meister-Plan.
    Knowles hatte sich schon oft dieser kleinen Kriegslist bedient: ins Badezimmer zu gehen, um mal kurz in Ruhe nachdenken zu können. Niemand konnte etwas dagegen haben, und es war eine unschätzbare Unterbrechung. Als Senator hatte er auf der Toilette über Taschentelefon Gespräche geführt, um Fakten nachzuprüfen, um sich Rückhalt zu verschaffen, um andere zu beeinflussen. Diese ganze Geschichte war etwas, das er ohne Jagens, ohne daß ihm irgendwer dabei zusah, durchdenken wollte. Mit solchen Persönlichkeiten hatte Knowles schon öfter zu tun gehabt: Jagens konnte menschliche Wärme anknipsen wie einen Lichtschalter, so daß man das Bedürfnis empfand, ihm zuzustimmen. Sehr wirksam.
    Entscheiden?
    Wieder sah er sich im Spiegel an. Er beugte sich über dem Waschbecken vor und studierte eingehend sein zerfurchtes Gesicht.
    Entscheidungen!
    Er war bis ganz nach oben gestiegen, weil die Leute sagten, er hätte keine Angst vor Entscheidungen, doch das stimmte nicht. Er hatte einfach nur Glück gehabt. Seine Fehlschläge betrafen langweilige, unwichtige Angelegenheiten, seine Erfolge jedoch waren dort sichtbar geworden, wo sie im Mittelpunkt des Interesses standen, oder sich im Leben der Leute auswirkten. Und was könnte sich wohl dort stärker auswirken als Schiwa?
    Entscheide. Sei ein Held. Der Retter der Welt.
    Es hörte sich gut an. Ein großer Schlag, und dann die Aufräumer. Diese könnten sogar notfalls eingesetzt werden, um die Ablenkung zu verstärken. Das könnten sie doch? Er notierte sich: diesbezügliche Rücksprache mit Bradshaw, Kinney, McGahan.
    Entscheide, zum Teufel!
    Vielleicht wäre es eine gute Idee, mit dem ganzen Haufen mal ein bißchen Fraktur zu reden? Wenn der Präsident der Vereinigten Staaten mit etwas Solidem, mit einem klar formulierten, starken Statement herauskam, würden die Unteren Tritt fassen und keine großen Geschichten machen. Das wäre eine ganz elegante Methode. Die Leute waren schon durcheinander genug.
    Mit einem Seufzer sah er sich in die Augen. Was war aus jenem engagierten jungen Kongreßmann geworden, der ausgezogen war, um die Welt zu verändern? Gab es den überhaupt noch irgendwo?
    Der Präsident der Vereinigten Staaten zog seinen Sakko glatt. Augenblicksweise fragte er sich, warum er ständig diese dunklen Anzüge trug, die Standard-Uniform des Geschäftsmannes. Schließlich konnte er ja anziehen, was ihm Spaß machte. Kennedy hatte Schlagzeilen gemacht, weil er nie einen Hut trug. Carter hatte aus seinen wollenen Strickjacken Publicity geschunden. War er schon soweit wie Nixon, der einen blauen Büroanzug zum Spazierengehen trug? Nun, das hing vermutlich mit der persona zusammen. Ging man erst einmal an, etwas Bestimmtes zu tragen, dann dauerte es gar nicht lange, und man hatte sogar sich selbst überzeugt. Er würde schon wissen, wann es weit genug mit ihm gekommen war: wenn er nämlich eines Morgens aufwachen und sich fragen würde – nicht was John Caleb Knowles als nächstes tun würde, sondern was der Präsident als nächstes tun würde.
    Er faßte an seine Krawatte, streckte gedankenlos die Hand aus, um die Spülung zu betätigen und ging wieder in das kleine Büro. Zackig sprang Carl Jagens auf; Knowles winkte ihm, sich wieder hinzusetzen, nahm ihm gegenüber Platz und zog sich

Weitere Kostenlose Bücher