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Schlaf, Kindlein, schlaf

Titel: Schlaf, Kindlein, schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika von Holdt
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Getränkekarte Luft zu. Er wollte sie berühren. Er fand sie unglaublich faszinierend.
    Er konnte zwar pro Abend auch zwei Frauen abschleppen, aber er befürchtete, wiedererkannt zu werden, wenn er hier in einer Bar im Ort eine ansprach, zumal …
    Die Dunkelhaarige zwängte sich zwischen Marlon und den leeren Barhocker und sagte: »Was geht denn hier?« Er stellte fest, dass ihr Atem stark nach Alkohol und Pfefferminz roch, und außerdem, dass sie aus der Nähe nicht besonders appetitlich war.
    »Nicht viel!« Marlon lächelte ihr höflich zu, setzte eine gleichgültige Miene auf und ließ den Blick schweifen, um zu kontrollieren, ob sie beobachtet wurden.
    Sie lachte, als hätte er gerade einen Witz erzählt, klemmte sich eine Haarsträhne hinter das Ohr, an dem ein langer Ohrring zum Vorschein kam, der wie eine Discokugel glitzerte und funkelte.
    Als sie sich auf dem Barhocker zurechtsetzte und sich so weit nach vorn lehnte, dass sie beinahe wieder herunterfiel, war fast die ganze obere Hälfte ihrer kompakten Honigmelonenbrüste zu sehen.
    »Wie heißt du?«, fragte sie und ließ einen Finger über seinen Unterarm wandern.
    »Lennox«, log er und zog den Arm an sich in dem Versuch, seine Gänsehaut zu verbergen.
    Sie wirkte überrascht. »Bist du da sicher?«
    Er schwieg.
    Sie zuckte mit den sonnenverbrannten Schultern. »Ich heiße Wendy«, erklärte sie und wandte sich an den Barkeeper. »Gibt es in diesem verfluchten Loch vielleicht auch ’ne Bedienung?«
    »Entschuldigung. Ich verschwinde mal auf die Toilette.« Marlon stand auf, schob sich Richtung WC und hoffte, sie würde weg sein, wenn er zurückkam.
    Das war sie nicht. Sie saß da und nippte an einem Glas Rum. Er bemerkte, dass auch die Blonde immer noch da war.
    Die Schlampe neben ihm stellte Fragen, als handelte es sich um die verdammte Spanische Inquisition, und nach ein paar erfundenen Anekdoten über sein Leben bekam er Kopfschmerzen. Er kniff die Augen zu, öffnete sie wieder und sah sich um. Zu seinem Schrecken stellte er fest, dass die Blondine gegangen war. Das Bild ihres Gesichts schwebte im Raum wie das Nachbild eines Blitzes, aber der Stuhl, auf dem sie gesessen hatte, war leer. Er sah einen verschwitzten Typen, der zu ihm herüberschielte, während er sein Bier trank. Marlon versuchte, sich auszurechnen, wie lange er mit der Dunklen geredet hatte. Zehn Minuten vielleicht. Vielleicht weniger. Kaum lange genug, als dass es jemandem aufgefallen wäre, dachte er und überlegte, was er machen sollte.
    »Ist der dein Freund?«, fragte er halblaut.
    Sie schwieg kurz und drehte den Kopf. »Der da … dieses magere kleine Nichts?« Sie schnalzte geringschätzig mit der Zunge. »Nein, also wirklich …« Sie hielt inne, musterte gedankenverloren ein Paar Handschellen, die an Marlons Gürtel baumelten. »Was machst du denn damit, Lennox?«
    Er blickte nach unten, stellte fest, dass er vergessen hatte, sie in den Hosenbund zu stecken und holte das nach. »So dies und das. Gefallen sie dir?«
    »Ich weiß nicht. Kann sein. Wenn man’s mag«, überlegte sie.
    »Und was magst du so?«
    »Romantik!« Sie schürzte die Lippen.
    »In Romantik bin ich richtig gut. Bei mir ist sie auch richtig von Dauer, wenn du verstehst, was ich meine.« Sie lächelte ihn an wie eine Hexe, die den Teufel anbetet. »Dann bist du genau mein Typ«, erwiderte sie. »Das können nicht viele.«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Was machst du? Bist du einer von den Bullen?«, wollte sie wissen.
    Er lachte. »Nein, ganz was anderes.«
    »Was denn?«
    »Das glaubst du sowieso nicht, wenn ich es dir erzähle.«
    »Doch, sag schon, na los.«
    »Gut. Ich bin Leichenbestatter.«
    »Ha! Ja, alles klar.«
    »Das stimmt! Ich habe ja gesagt, dass du mir nicht glaubst.«
    »Wirklich?« Sie tat, als hätte sie eine Gänsehaut, und schlang die Arme um ihren Körper. »Wow! Ich kann mir lebhaft vorstellen, was es damit auf sich hat.«
    Das glaube ich nicht, dachte er, ohne es laut zu sagen. Stattdessen sagte er: »Ja, viele lassen sich von meinem Beruf abschrecken. Aber ich sehe das so: Der Tod ist genauso natürlich wie zum Beispiel Sex …«
    »Ja, das ist er wohl. Aber längst nicht so angenehm!«
    Er spürte eine vertraute Lust und wusste, er würde sie umbringen und hatte keine andere Wahl, als sie zu bitten, ihn später an einem anderen Ort wiederzutreffen. »Treffen wir uns später … woanders? Hier gibt es für meinen Geschmack zu viele Augen und Ohren.«
    »Du bist aber ziemlich

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